In der Frankfurter Allgemeinen las ich einen Aufsatz des Volkswirtschaftsprofessors Hanno Beck. Es ging um die Rolle, die Geld im Gefühlsleben der Menschen spielt. Es gibt da erstaunliche Forschungsergebnisse. Zum Beispiel ließ man Versuchspersonen Geld zählen, andere nur leere Papierbögen. Anschließend mussten alle ihre Hände in heißes Wasser tauchen. Man fragte sie: Wie groß war der Schmerz? Tatsächlich tat die Hitze jenen, die Geld gezählt hatten, weniger weh.
Geld ist also ein Schmerzmittel, übrigens auch in sozialer Hinsicht: Werden Menschen von anderen Menschen zurückgewiesen, steigt bei ihnen, hat man herausgefunden, das Bedürfnis nach Geld, sie entscheiden sich, vor die Wahl gestellt zwischen Urlaub oder Schokolade auf der einen, Geld auf der anderen, immer für das Bare, kein Wunder: Der Mensch ist ein soziales Wesen, für ihn ist Anerkennung der Gruppe lebenswichtig, und Geld, da es von anderen gezahlt wird, symbolisiert diese Anerkennung. Was im Umkehrschluss bedeutet: Der Geldgierigste sehnt sich am meisten danach, von anderen geliebt zu werden. Er findet nur keinen direkten und besseren Weg, sich diese Sehnsucht zu erfüllen. Es gelingt ihm nur symbolisch.
Geld, so stand es 2013 im Journal of Economic Psychology, »ist vielleicht der emotional herausragende Gegenstand in unserem Leben«, sogar die Angst vor dem Tod könne es reduzieren – und das, schrieb nun wieder Professor Beck, »kommt einer Droge recht nahe«.
Wobei wir noch nicht vom Smartphone gesprochen haben. Jeder, der ein solches besitzt, weiß um dessen drogenartige Wirkung: Bisweilen muss man sich zwingen, nicht alle zehn Minuten nach neuesten Nachrichten zu sehen – und das gelingt nicht immer. Weshalb ein paar Amerikaner jetzt ein noPhone produziert haben, das so groß ist wie ein Smartphone, auch so schwer ist und sich so anfühlt. Nur ist es aus Kunststoff und hat
keinerlei Funktion außer jener, dem Besitzer das oberflächliche Gefühl zu geben, er habe ein Phone in Hand oder Tasche.
Sogleich erhielten die Erfinder eine Flut von Bestellungen, die einen Nachteil hatten: Man kann das noPhone nicht bestellen, es handelt sich um einen Scherz (der allerdings von den Scherzenden angesichts der kommerziellen Möglichkeiten gerade überdacht wird). Nicht nur das Geld symbolisiert also die Sehnsüchte der Menschen, auch dieser kleine rechteckige Gegenstand hat große Macht, weil er dem Einzelnen das Gefühl gibt: Die anderen sind noch da, sie lassen mich nicht allein. Das noPhone wäre für den Smartphone- und Gemeinschaftssüchtigen, was Methadon für den Drogenkranken ist: ein Ersatzstoff.
Allerdings ist es nun so, dass die Firma Apple (und nicht nur sie) bereits an einem für alle Süchtigen verheerenden Konzept arbeitet: der Kombination von Geld und Phone. Denn es wird nicht mehr lange dauern, bis jeder Besitzer eines solchen Gerätes damit auch an den Ladenkassen seine Einkäufe bezahlen kann, das heißt, Geld und Gerät sind dann eins. Was an jene fiktive Firma The Circle erinnert, über die der amerikanische Schriftsteller Dave Eggers ein Buch geschrieben hat, das zu Recht auf Platz eins der Bestsellerlisten steht: Der Circle fasst alles, was Facebook, Twitter, PayPal und Google tun, in einem System namens TruYou zusammen, dem sich niemand entziehen kann und kaum einer entziehen will. Denn es hat sich die Sehnsucht des Menschen nach Anerkennung durch die Gemeinschaft so zunutze gemacht, dass es keinen Terror und keinen Zwang mehr braucht. Alle machen freiwillig mit, weil sie nicht anders können. Ihr Individualismus ist nur noch Fiktion. In Wahrheit sind sie abhängig von der Sozialdroge.
Wobei dies übrigens, wenn ich es recht sehe, am Anfang jedes wirksamen Entzugs steht: die Erkenntnis, abhängig zu sein. Und es nicht mehr sein zu wollen.
Das Beste aus aller Welt
Mit Geld und dem iPhone verbindet der Mensch die meisten Emotionen, haben Wissenschaftler herausgefunden. Unser Autor freut sich deshalb über die Erfindung des noPhones. Mit ihm kann man weder telefonieren noch surfen. Und kaufen kann man es ebenfalls nicht.