Die Verkofferung der Passagiere

US-Fluggesellschaften haben ihre Bordtoiletten noch weiter verkleinert. Was bedeutet das für die Zukunft des Luftverkehrs?

Illustration: Dirk Schmidt

Der Washington Post zufolge haben ­einige amerikanische Fluggesellschaften in ihren Maschinen neue Flugzeugtoiletten eingebaut. Diese Zellen sind nur noch 61 Zentimeter breit. Das ist praktisch die Breite einer normalen Geschirrspülmaschine.

Ich habe daraufhin die Geschirrkörbe aus unserem Spülgerät entfernt und mich ein Weilchen in die Maschine gesetzt.

»Was machst du da?«, fragte Paola, meine Frau.
»Ich arbeite. Ich führe einen Test durch.«
»Vergiss nicht, Klarspüler nachzufüllen«, sagte sie.
»Hilf mir lieber wieder heraus. Ich schaffe es nicht allein.«

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Es dauerte etwas, bis sie mich herausgezerrt hatte. Die folgenden Entfaltungsprozesse nahmen weitere Zeit in Anspruch. Erst eine halbe Stunde Bearbeitung mit dem Dampfbügeleisen verhalf mir wieder zu meiner ­ursprünglichen Körperform.

»Jetzt verstehe ich, warum Friedrich Merz zwei Privatflugzeuge hat«, sagte ich.

Angeblich gewinnen die amerikanischen Fluggesellschaften durch die Schrumpfung der Flugzeugtoiletten Platz für jeweils sechs weitere Passagiere. Das ist erstaunlich, denn sooo viel breiter waren die Nasszellen ja vorher auch nicht. Aber Airlines sind mittlerweile in einer Weise auf die Verpackung von Menschen und die damit verbundenen Knautsch- und Knüllmöglichkeiten spezialisiert, dass man dahinter komplette ortho­pädische Forschungsabteilungen vermuten muss. Wer sich als 184 Zentimeter großer Durchschnittsmann je sorgsam in die Pygmäensitze heutiger Linienmaschinen hineinschraubte, um dann Zen-meditierend seine Kniescheiben auf den Schmerz vorzubereiten, der entsteht, wenn ein 150-Kilo-Mann sich entspannt in den Vordersitz fallen lässt, der weiß, wovon ich rede.

Irgendwo habe ich gelesen, dass Europäer im 17. Jahrhundert im Schnitt nur 167 Zentimeter groß waren, fast eine Idealgröße für heutige Flugzeugtoiletten – nur, dass man eben im Barock noch nicht für zwanzig Euro von Berlin nach Sardinien fliegen konnte. Interessant ist ja, wie die Evolution nun darauf reagieren wird, dass immer größere Menschen in immer größerer Zahl in Flugzeugen untergebracht werden müssen, damit sie zu immer noch günstigeren Preisen aus ihren sterbenslangweiligen Heimatorten zu immer noch mehr überfüllten Touristenzielen gebracht werden können. (Man nennt das Fortschritt.)

Die Lösung kann meines Erachtens nur darin liegen, dass Fluggäste bereits vor dem Betreten ihrer Maschine verpackt werden, im Flughafengebäude. Die laienhafte Art, in der sich Passagiere heutzutage noch selbst im Flugzeug verformen müssen, um sich den Gegebenheiten dort anzupassen, wird an Grenzen stoßen, wenn man erst auch die Handgepäckfächer sowie die kleinen Netze an den Sitzrückseiten zum Personentransport nutzen muss. Die Selbstverstauung ist dann am Ende.

Deshalb werden Profis diese Arbeit übernehmen. Sie müssen am Gate den einzelnen ­Reisenden einer Art Verschnürungs- und Ein­dosungsvorgang unterziehen, einer Ver­kofferung und Containerisierung, einem Einschachtelungsprozess, in dessen Folge jeder einzelne Insasse so in einem rechteckigen Behältnis untergebracht ist, dass Servicepersonal ihn zusammen mit den Fluggenossen im Passagierraum platzsparend stapeln und schichten kann. Bei Klaustrophobikern werden teils umfangreiche Gaben von Beruhigungsmitteln unerlässlich sein. Dafür entfällt aber Flugangst, für die sozusagen kein Platz mehr ist. (Es wird ja der Flug als solcher gar nicht mehr wahrgenommen. Im Prinzip wird es so etwas wie Wahrnehmung ohnehin nicht mehr geben können.)

An den Ankunftsorten wird wiederum Fachpersonal die Ankommenden mehrstündigen gymnastischen Übungen und Schrei-Therapien unterziehen. Gegen geringe Gebühr ist dort einstündiges Weinen in einem persönlichen Toilettenraum gestattet.