Wer hasst, hat sein Leben nicht auf die Reihe bekommen

Wie sollen wir mit dem ganzen Hass umgehen, der dieser Tage durchs Netz und durch den Alltag wabert? Ignorieren? Zurückhassen? Unser Kolumnist hat einen bestechend guten Vorschlag.

Bisweilen fragt man sich nun, wie man mit diesem obszönen Hass umgehen soll, der einem aus verschiedenen Ecken der Welt entgegenschlägt, aus New York wie aus Dresden, aus dem Froschmaul Donald Trumps wie aus den verzerrten Visagen derer, die Kanzlerin und Präsident offen beleidigen, dem Hass auch des Trinkers Nigel Farage, der mit Hilfe seines Anti-Europäertums jahrzehntelang im Europäischen Parlament unser Steuergeld als Diäten eingesackt und Großbritannien so verändert hat, dass schon ein Pole auf der Straße totgeprügelt wurde, dem stinkenden Hass derer, die Flüchtlingsheime anzünden oder dieses Anzünden durch ihr Reden befeuern, dem kalten Hass auch des Kriegsherrn Putin, der keine Grenzen mehr zu kennen scheint: dieser weltumspannenden Koalition der Hassenden also, der wir uns gegenübersehen, zu der, auf ihre Weise, auch die islamistischen Killer gehören.

Soll man sich anstecken lassen? Zurück hassen? Und diesem Hass auch Ausdruck geben? Carolin Emcke, deren Buch Gegen den Hass gerade erschienen ist, und die gerade mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt wurde, hat dazu geschrieben, dem Hass begegnen lasse sich nur, »indem man sich seiner Einladung, sich ihm anzuverwandeln, also dem Hass nur mit Hass zu begegnen, widersteht. Stattdessen gilt es, das zu mobilisieren, was dem Hassenden abgeht: die Fähigkeit zur Ironie, das zweifelnde, auch Ambivalenzen aushaltende Denken und die Vision einer ›unreinen‹, vielfältigen, offenen Gesellschaft, in der Kritik sich an Handlungen, nicht an Personen festmacht«.

Ja, das ist richtig, das ist schön, das ist wahr. Aber man ist ja auch nur Mensch, man ist nicht den ganzen Tag lang Ironiker, Zweifler, Visionär. Es gelingt einem nicht immer, jene Menschheitsliebe in sich zu mobilisieren, die im Gepöbel nur den Ruf nach Anteil am schönen Leben, nach Wärme, Nähe und Zuneigung erkennt. Im Grunde wäre Mitleid die einzig angemessene Reaktion auf den Hass des Hassenden, denn er (oder sie) hat ja offensichtlich das Leben nicht so recht auf die Reihe bekommen. Hass ist zum Kern seines Wesens geworden, es geht ihm nicht darum, was er hasst, sondern dass er hasst.

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Er hasst also nicht uns, sondern das Leben. Bloß lässt sich das Leben nun mal nicht mit Dreck, Tomaten oder Schlimmerem bewerfen. Es handelt sich bei diesem Hass nicht um Verhalten, sondern, wie Erich Fromm geschrieben hat, um ein Charaktermerkmal. Hass ist diesen Leuten zu einer Eigenschaft geworden wie, sagen wir, die Farbe ihrer Haare. Falls sich, zum Beispiel, unter dem Toupet Haare befinden.

Wobei: Ist Mitleid in diesem Fall nicht eine Form der Verachtung, ein Herabblicken? Nein, Mitleid ist immer gut, gerade denen gegenüber, die an einem vernünftigen Menschsein gescheitert sind. Aber es kann nicht alles sein, wenn die Leute einem ans Leder wollen. Wir sind auch nicht die sozialpädagogischen Betreuer derer, die unsere Volksvertreter an den Galgen hängen wollen.

Gefiel uns nicht Helmut Kohl 1991 am besten, als er von seinen eigenen Sicherheitsbeamten daran gehindert werden musste, denen eine zu verpassen, die ihn mit Eiern beworfen hatten? Ja, ein bisschen mehr Ruppigkeit stünde uns gut an, und ein schöner Wutausbruch reinigt das eigene Innenleben ganz ungemein. Aber das ist auch alles, und wozu hätten wir eigentlich noch eine Polizei, wenn man jedem Eierwerfer persönlich eine reinhauen würde?

Es ist eben so, das lehrt das Leben: Mit Wut kommt man zwar voran, aber nicht sehr weit. Und wer dem Hassenden mit Hass begegnet, der tut ihm bloß einen Gefallen, da hat Carolin Emcke ganz recht. Er begibt sich auf dessen Ebene, er tut, was der erwartet, er steigt in dessen Ring. Nicht zufällig erinnern ja viele der Hass-Anführer an Typen vom Schulhof, gewalttätige und großmäulige Regelbrecher, von denen wir, die Mehrheit, uns an guten Tagen einfach abwandten, um unser Spiel nach unseren Regeln zu spielen und ihnen so das Entscheidende zu sagen.

Nach deinen Regeln spielen wir nicht.

Illustration: Dirk Schmidt