Rummenigge

Trotz Businesshemd und Managergeste: Man nimmt Karl-Heinz Rummenigge den Weltmann einfach nicht ab.

Karl-Heinz Rummenigge ist ein Weltmann. Der Vorstandschef des FC Bayern München bewegt sich gewandt auf den Bühnen des internationalen Fußballs. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Uli Hoeneß, dessen Auftreten auch als Spitzenmanager immer einen Rest an Hemdsärmeligkeit bewahrt, hat Rummenigge den Stallgeruch von Fußballplatz und Umkleidekabine völlig abgelegt und gegen das Erscheinungsbild des versierten Geschäftsmanns eingetauscht. In den fünfeinhalb Jahren, die zwischen seinem Weggang vom FC Bayern im Jahr 1984 und dem Ende seiner Karriere als Spieler lagen, entwickelte er sich in Mailand und Genf zu einem polyglotten Repräsentanten seines Sports.

Die Biografie Rummenigges wirkt wie ein Musterbeispiel für ein geglücktes Leben nach der Profikarriere (inklusive der alten Vorstellung einer prägenden Bildungsreise im italienischen und französischen Sprachraum). Und doch sind es gerade die feinen, aber permanenten Risse in dieser Inszenierung, die am deutlichsten auffallen, wenn man seine Statements oder Interviews verfolgt. Denn die im ersten Moment so sichere Diktion droht ihm immer wieder zu entgleiten; die Sätze gehen (ähnlich wie in Günter Netzers Spielanalysen) allzu oft nicht auf, geraten ins Stocken, enden mit falschen Anschlüssen. Rummenigges Sprache ist zudem durchdrungen von wiederkehrenden Versatzstücken. Kaum ein Satz, der nicht mit Formulierungen beginnt wie: »Ich bin kein Freund von…«, »Unsere Philosophie ist…«, »Wir sind gut beraten, dass…« oder »Es steht uns gut zu Gesicht…«; regelmäßig tauchen überdies dieselben Füllwörter auf – »speziell«, »ganz einfach«, »ohne Frage«, »à la bonheur«. Dem eloquenten Parlando Rummenigges ist die mühevolle Technik anzumerken, mit der es erlernt wurde. (Lesen Sie auf der nächsten Seite: "Karl-Heinz Rummenigges Habitus nach seiner aktiven Zeit war ganz von der Ambition getrieben, ein anderer zu werden.")

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Wenn eine der vordringlichsten Charaktereigenschaften von Uli Hoeneß von jeher im Vertrauen auf den eigenen Lebensradius besteht, in einem Gefühl des Beisichseins, war Rummenigges Habitus nach seiner aktiven Zeit ganz von der Ambition getrieben, ein anderer zu werden: weltgewandter, gelassener, souveräner. Man könnte das biografisch vielleicht damit erklären, dass wenige Spieler zu Karrierebeginn so stark gehänselt wurden wie das »Rot-bäckchen« Rummenigge, dem das Blut in die Wangen schoss, sobald sich ein Reporter näherte. Auch seiner Tätigkeit als Co-Kommentator im Fernsehen schlug Anfang der Neunzigerjahre ungewöhnlich starke Häme entgegen. Rummenigge hat diese frühen Kränkungen seiner Beredsamkeit seitdem mit großer Leistungsbereitschaft korrigiert. Aber es scheint, als würden die Übungen aus den Rhetorik-Handbüchern und Management-Seminaren bis heute in jedem seiner Sätze nachklingen.

Immer wieder sieht sich Karl-Heinz Rummenigge dem Vorwurf der Arroganz ausgesetzt – zuletzt nach der Rede im Münchner Rathaus, als er Oberbürgermeister Ude dafür beschimpfte, seinen Urlaub für die Meisterfeier des FC Bayern nicht unterbrochen zu haben. Rummenigges Image ist das des kaltblütigen Rechners. Tatsächlich sieht er es seit Jahren als wichtigste sportpolitische Aufgabe an, das nach dem Solidaritätsprinzip funktionierende Verteilungssystem der Fernsehgelder im deutschen Profifußball aufzukündigen. »Wir müssen die Besten besser machen, nichts anderes«, hat er einmal in sozialdarwinistischer Manier bekannt.

Wenn man sich fragt, woher Rummenigges streng elitebezogene Politik der Auslese rührt, kann gerade die Herkunft seiner Sprache einen ersten Hinweis liefern. Sie stammt aus dem Vokabular der Motivationstrainer. »Rhetorik ist die Kunst der Erfolgreichen«, lautet das Motto des bekanntesten unter ihnen, Nikolaus B. Enkelmann. Alle Kommunikation in den Dienst der Machtausübung stellen, die Kunst des Redens allein als Kunst der Güteranhäufung definieren: Das ist das Credo dieser zweifelhaften Lehre. Karl-Heinz Rummenigge tritt als ihr folgsamster Schüler auf.

(Foto: ddp)