Tom Cruise

Gibt man in das amerikanische Google-Suchfeld die Stichworte »Tom« und »Cruise« ein, erscheint erstens eine Liste seiner Filme, zweitens eine große Fanpage und drittens die Website www.TomCruiseIsNuts.com. Dies steht für die drei derzeit wichtigsten Annahmen über ihn: Er ist Schauspieler. Er ist ein Superstar. Und er tickt nicht mehr ganz richtig. Womit der große dramaturgische Entwicklungsbogen seiner Existenz auch schon halbwegs skizziert wäre.Tom Cruise ist Filmschauspieler seit 1981 und seinem weithin vergessenen Debüt Endless Love. Sein Dasein als Superstar beginnt fünf Jahre später mit dem hochglänzenden, haarsträubend militaristischen Luftwaffen-Werbeclip Top Gun, wo er lederjackig, breitbeinig und dauergrinsig ein paar russische Düsenjäger abknallt und zum Symbol der Reagan-Ära aufsteigt. Kurz darauf wird er Scientologe. Nun spielt er gern Figuren, die zwar lederjackig, breitbeinig und dauergrinsig beginnen, dann aber Einsicht zeigen und sich zu besseren Menschen wandeln. Die Auswahl seiner Projekte und Regisseure wird smarter, er nimmt schauspielerische Herausforderungen an, er arbeitet an sich und ist dabei so konstant erfolgreich, dass Hollywood eine eigene Regel für ihn erfinden muss: Niemand kann immer ganz oben stehen – außer Tom Cruise.In dieser Phase ist er nie anders zu sehen als topfit, gut gelaunt, enthusiastisch und arbeitswillig. Er sagt niemals Dinge, die nicht vernünftig oder zumindest konsensfähig klängen. Bei Premieren nimmt er sich stundenlang Zeit für seine Fans. Kein Kollege äußerst je etwas anderes als Lob für seine professionellen und menschlichen Qualitäten, und keine beendete Beziehung führt je zu Anfeindungen oder schmutzigen Vorwürfen. Sein Dasein ist ein einziger zähnebleckender, Fäuste ballender, »Victory« signalisierender Vorwurf an den Rest der Welt: Auch du könntest, würdest du immer 150 Prozent geben, mit laserscharfem Fokus deine Ziele verfolgen und endlich deine Hausaufgaben machen, schon viel weiter, reicher und berühmter sein.Was dem Prinzip Tom Cruise natürlich eine zutiefst inhumane Qualität verleiht. So etwas kann, nach aller menschlichen Erfahrung, gar nicht wahr sein. Nicht so völlig ungebrochen, nicht über so viele Jahre hinweg. Selbst andere Scientologen wie John Travolta werden mal fett oder bauen Mist. So entsteht in der Öffentlichkeit das Begehren, den Panzer seiner Perfektion aufzubrechen. Der Mann muss doch ein Sektenzombie sein, dessen Hirn in sinistren Laboren gewaschen wurde. Seine Ehen und Beziehungen, seine Auftritte, seine ganze Existenz möchten wir als Fake sehen, geschützt von den besten Verträgen und den teuersten Anwälten der Welt. Zu behaupten, er sei schwul und es gebe Beweise dafür, kostet etwa zehn Millionen Dollar. Aber verdammt, wenn er schon nicht schwul ist, könnte er nicht wenigstens zeugungsunfähig sein? Nein, sorry. Keine Chance.Und dann zerstört der Mann sein Prinzip einfach selbst. Trifft eine 16 Jahre jüngere Kolle-gin, schreit seine Verliebtheit hemmungslos in die Welt hinaus, springt vor Glück auf Talkshow-Sofas herum und scheint nicht mehr Herr seiner Sinne zu sein. Die manische Euphorie kann blitzschnell in Aggressivität umschlagen, dann randaliert er zur besten Sendezeit in einer Diskussion über Psychopharmaka, schmäht Kolleginnen und beschimpft Journalisten. Was immer er jetzt tut – Ultraschall-Apparate für den Privateinsatz kaufen, über die Geburtsrituale von Scientology reden, Witze über den Verzehr der Plazenta machen, seine neugeborene Tochter »Suri« nennen –, bestätigt in den Augen der Welt nur noch eins: dass der Mann nicht mehr zu retten ist. In dem Moment, da er die Nerven verliert und als Person mit Fehlern greifbar wird, um nicht zu sagen größenwahnsinnig und fast human, ist die Zeit unserer Rache gekommen – für zwanzig Jahre unerträgliche, unmenschliche Perfektion.