Warum sind wir im Ausland solche Besserwisser?

Deutsche Touristen stilisieren sich im Urlaub gern als Experten fremder Kulturen.

Das Leben ist woanders immer besser, klar. Die Landschaft, das Klima, die Ursprünglichkeit der südlichen oder asiatischen Kulturen, hach! Die Genussfähigkeit, die Gelassenheit, das Glas Wein zum Mittagessen, die Siestas, die Fiestas, die Liebe zu den Kindern, die Ehrfurcht vor dem Alter – so und nicht anders sollte das Leben sein. Finden die Deutschen. Kaum ein Volk hat eine derartige Leidenschaft für fremde Lebensart (vorausgesetzt, sie bleibt hübsch im eigenen Land und reißt den deutschen Sozialstaat nicht ins Verderben), und kaum ein Volk ist so fanatisch darin, sein liebgewonnenes Bild von der bukolischen Vollkommenheit anderer Kulturen mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Im Zweifel auch gegen die Einheimischen, die es durchaus besser wissen.

Ich merke es gerade wieder hier in Argentinien. Der Tango! Diese Leidenschaft! Diese Melancholie, diese Grandezza! Wer so schwärmt, hat in Deutschland ein paar Tanzstunden absolviert und sich dann fiebernd ins Flugzeug nach Buenos Aires gesetzt, um dort den wahren Tango zu tanzen. Nur hat der so viel mit dem Leben hier zu tun wie das Schuhplatteln mit dem Leben in Deutschland. Ein gut verkäufliches Klischee, oft nur noch von ein paar alten Leuten und von Tanztouristen am Leben gehalten.

Die Verklärung folkloristischer Besonderheiten wäre ja noch lustig, wenn sie nicht mit dieser elenden Bescheidwisser-Attitüde daherkäme, mit der absurden deutschen Neigung, in Argentinien der bessere Argentinier zu sein und in Italien der bessere Italiener. Wieso müssen wir immer die Experten sein, die besser als alle anderen wissen, wie es geht? Die Yogagirls auf Goa, die den Indern die Versenkung beibringen wollen, die Altherrenbanden, die in den Weinrestaurants von Montepulciano die Kellner mit Geschwafel über den Brunello von 2004 langweilen und so reden, als ob ihnen alle Weinberge hier gehören würden, die Rohmilchkäse-Aficionados, die schon auf deutschen Wochenmärkten so nerven (»Der könnte noch einen Tick reifer sein«) und sich in Paris vollständig zum Affen machen: immer nur die Deutschen.

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Vollständig eklig wird es, wenn diese Kenner nur bestimmte Aspekte zur Kenntnis nehmen und den Rest ignorieren, wenn sie es im Zweifel sogar schaffen, Dreck und Armut zur romantischen Kulisse der eigenen Fluchtfantasien umzudichten. Klar kann man einen Strohhut kaufen und »sich zu den alten Männern auf die Plaza setzen«. Aber wäre es nicht endlich mal eine gute Idee, das eigene fürstliche Leben zu Hause als das richtige zu erkennen und diesen albernen Kinderkarneval zu lassen?