Berlin - Kottbusser Tor

Dieser Platz hat den Charme eines alten Fremdenlegionärs: Erst ist er einem etwas unheimlich - aber wenn er mal seine Geschichte auspackt, bleibt man gern noch ein bisschen da.

Das Kottbusser Tor ist ein schlafloser Ort. Tagsüber: türkische Gemüsehändler, viel Verkehr. Abends: internationale Feierwillige, großer Durst. Und alle fünf Minuten rattert die gelbe U-Bahnlinie 1, hier Hochbahn, über die alten Stahlträger in den Bahnhof ein. Das Gefühl: Hier passiert etwas, immer, zu jeder Zeit. Besonders schön kann man das durch die Fenster der »Paloma Bar« beobachten. Sie liegt versteckt im ersten Stock eines der Wohnbetonbunker, die seit den Siebzigerjahren den Platz im Herzen Kreuzbergs umragen. Hausbesetzerkiez, Klein-Istanbul, Drogenstrich, Künstler-, also Szeneviertel: Das Kottbusser Tor hat viel erlebt (seine Kiezgeschichte kann man im Museum Kreuzberg zurückverfolgen). Man sieht es den rußgeschwärzten Fassaden und den vernarbten Straßen an. Man hört es, wenn unter den Schuhsohlen Scherben knirschen. Es riecht nach Unterwelt und sehr stark gewürztem südländischem Essen. Dort, im anatolischen Grillrestaurant oder in der arabischen Falafelbude, trifft man die, die hier die Hälfte der Bewohner ausmachen: Türken, Kurden, Libanesen. In die »Paloma Bar« verirren sie sich kaum. Auch nicht in die Bar »Möbel-Olfe«, wo polnisches Bier und laute Musik Menschen mit bunt gemischten sexuellen Vorlieben auf die Nacht vorbereiten. Noch seltener verschlägt es zugereiste Mittehippster oder etwa Münchner in eine der türkischen Teestuben. Hat man den rauen »Kotti« aber erst einmal in sein Herz geschlossen, wird man ihn ewig lieben. (1) Paloma Bar, Skalitzer Straße 135, Mi bis Sa ab 22 Uhr.
(2) Möbel-Olfe Die Möbel baumeln von der Decke, Reichenberger Straße 177, Tel. 030/ 23 27 46 90. Di bis So, www.moebel-olfe.de.
(3) Kreuzberg Museum, Adalbertstr. 95 a, Tel. 50 58 52 88, www.kreuzbergmuseum.de.
(4) NGBK Kunstverein Politische Ausstellungen, Oranienstr. 25, Tel. 616 51 30, www.ngbk.de.
(5) Künstlerhaus Bethanien Vergibt Stipendien, wechselnde Ausstellungen, Mariannenplatz 2, Tel. 616 90 30, www.bethanien.de.
(6) Hasir Hier soll in den Siebzigerjahren der erste Döner gewickelt worden sein, Adalbertstraße 10 – 12, Tel. 614 23 73, www.hasir.de.
(7) Maroush Falafel-, Schawarma- und Halumi-Taschen, Adalbertstr. 93, Tel. 69 53 61 71, www.maroush-berlin.de.
(8) Babylon Kreuzberg Kleines Kino mit alternativem Programm, Dresdener Str. 126, Tel. 61 60 96 93, www.yorck.de.

Zsuzsanna Ilijin (Illustration)