Erde zu Erde, Staub zu Staub

Alle Welt denkt beim Stichwort Keramik an simple Schüsseln und Tassen. Das südafrikanische Duo Ceramic Matters möchte das ändern und töpfert Objekte von irdischer Schönheit.

Tierschädel, Stoffe, Statuen und Speere aus ganz Afrika füllen die Wände und Regale des 300 Jahre alten Farmhauses nordöstlich von Kapstadt. Wie in einem altmodischen Museum aus jener Zeit, als Weißraum noch verpönt war, ist jede freie Fläche besetzt. »Dieser Ort erdet uns«, sagt Anthony Harris, »er ist die Basis unserer Arbeit: Afrika, Südafrika, der Boden, auf dem wir gehen.«

Für Harris und seinen Partner Gerhard Swart, die seit mehr als dreißig Jahren zusammenleben und -arbeiten, ist Erdung ein zentraler Begriff: Das heißt für sie nicht nur, Kraft und Inspiration aus ihrer Umgebung zu schöpfen, sondern verweist auch auf ein sehr pragmatisches Verständnis ihrer Arbeit. Sie ist Broterwerb. »Deshalb nehmen wir gern Aufträge an, auch welche mit klaren Vorgaben, das gibt uns eine Richtung. Sonst würden wir uns manchmal zu sehr in unseren Ideen verlieren«, sagt Harris. Wenngleich sie ihre Bodenhaftung schon deshalb nie verlieren können, weil ihr Material ganz einfach Erde ist.

Seit 1997 stellen die beiden ihre ungewöhnlichen Keramikobjekte unter dem Namen Ceramic Matters her. Swart kam gleich im ersten Jahr des Kunststudiums zur Keramik. Seine Hände und der Ton, sagt er, das habe von Anfang an gepasst. Harris nahm einen Umweg über Malerei und Fotografie.

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Heute findet man Ceramic Matters in Filialen der internationalen Handelsketten von Conran Shop, Anthropologie oder West Elm. Zu den bekanntesten Stücken des Studios gehören die »Dornenvase« – eine bauchige Vase mit einem stengelschmalen Hals, der wie eine Rose mit Dornen gespickt ist – und ein Set aus Vasen, die sich organisch wie die Zehen einer Knoblauchknolle aneinanderfügen.

Doch Vasen und andere Gebrauchsgegenstände machen nur einen kleinen Teil ihrer Produktion aus. »Wir wollen das Potenzial zeigen, das in Keramik steckt«, sagt Swart. Es stört sie, dass Menschen beim Stichwort Keramik immer nur an Tassen und Untertassen denken.

Also loten sie die Grenzen des Möglichen aus, zum Beispiel mit sechs Meter hohen Wand-installationen oder riesigen Kronleuchtern. Gebrannt wird alles, was sie relevant finden. Das kann auch mal ein Porzellangartenzwerg mit überdimensionalem Revolver sein – als augenzwinkernder Kommentar auf die südafrikanische Selbstschutzparanoia.

Doch einige Themen ziehen sich wie rote Fäden durch ihr Werk, zum Beispiel der Kreislauf der Natur. »Seit wir auf einer Farm leben, haben wir ihn zu respektieren gelernt«, sagt Swart. »Die Tiere werden alt und sterben, die Natur nimmt ihren Lauf. Wenn man das einmal akzeptiert hat, entdeckt man die Schönheit darin.« Und Harris fügt hinzu: »Wir machen oft Stücke, in denen es um die Koexistenz von Leben und Tod geht.« In den Anfängen ihres gemeinsamen Studios haben sie in der Landschaft gefundene Zebraschädel mit darauf wachsenden Pflanzen in Keramik gegossen. Seither sind Totenschädel ein wiederkehrendes Motiv.

Viele Objekte von Ceramic Matters sind nicht funktional, sie liefern keine Lösung für Alltagsprobleme. Sie bewegen sich eher im schwer zu fassenden Bereich zwischen Design und Kunst. Fragt man die beiden nach ihren kreativen Vorbildern, nennen sie deshalb auch keine anderen Keramikkünstler, sondern Fotografen wie Helmut Newton und Robert Mapplethorpe oder Modemacher wie Vivienne Westwood und Jean Paul Gaultier. Expressivität, Taktilität, darum geht es ihnen, sagen sie.

Doch im Unterschied zu Fotoprints und Stoffen ist Keramik sehr haltbar. Es bringe ein Gefühl von Verantwortung mit sich, sagen Harris und Swart, zu wissen, dass ihre Objekte noch in tausend Jahren existieren können. »Ich denke oft«, sagt Swart, »wie viel schreckliche Keramik schon produziert worden ist und immer wieder aus den Meeren gefischt wird. Man sollte vielleicht zweimal darüber nachdenken, bevor man all diese Pötte herstellt.«

Fotos: Nico Krijno