Ein Gin Tonic ist in der Welt der Drinks so etwas wie der klassische schwarze Einreiher oder die gesteppte Chanel-Tasche: Er passt immer, zu allem und jedem. Ganz besonders gut macht er sich im Sommer, versteht sich von selbst, denn da kommt der Drink ja her: aus der Hitze Indiens, wo britische Kolonialherren chininhaltiges Wasser, genannt »Tonikum«, zum Schutz vor Malaria trinken mussten. Weil das so bitter schmeckte, mischten sie ihren Lieblingsalkohol dazu: Gin. Ein Mensch, der es ernst meint mit diesem Drink, sagt bei der Bestellung deswegen auch »einen Gin and Tonic, bitte!«, so wie es der Brite macht, und weiß, dass der Drink »gebaut« wird, nicht gemixt, so wie die meisten anderen Highballs auch – so nennt man alle Getränke, die nur aus einer Spirituose und einem kohlensäurehaltigen »Filler« bestehen.
Bartender haben bislang mit der Gegenfrage »Mit Limetten- oder Zitronenschnitz?« geantwortet, in neueren Zeiten auch schon mal mit: »Vielleicht mal mit Gurke drin probieren?« Mehr durfte mit dem Oldtimer unter den Longdrinks aber nicht passieren, das hätte als Frevel gegolten. Denn in seiner althergebrachten Art hat der Drink schon Geschichte geschrieben, nicht nur was seine gesundheitsfördernde Wirkung betrifft (er besteht nämlich aus zwei Medikamenten: Tonic mit Chinin als Fiebersenker, und Wacholder, aus dem Gin gemacht wird, gegen Reizhusten und Verdauungsbeschwerden). Er hat politische Krisen ausgelöst (die sogenannte Gin-Tonic-Krise 2013 in Spanien, als bekannt wurde, dass die Abgeordneten ihren Lieblingsdrink in der Parlamentscafeteria zu einem stark subventionierten Preis ordern konnten) und wurde schon vor Gericht diskutiert (weil EM.TV-Chef Thomas Haffa mit ihm auf einen Deal angestoßen hatte, der den Aktienkurs beflügelte, am Ende aber gar kein Deal war).
Nun leben wir in Zeiten des Feintunings, des Spezialistentums, der Pimp-Lust, und deswegen erfährt nun auch der Gin and Tonic eine Renaissance, und das nicht nur, weil in den letzten Jahren unzählige neue Gin- und Tonicwater-Sorten auf den Markt gekommen sind und dazu Gin-Tonic-Bars eröffnet haben, in denen man diese unzähligen neuen Kombinationen probieren kann. Schon heißt ein mit Tanqueray Gin gebauter Gin Tonic nicht mehr abgekürzt »GnT«, sondern »TnT«. Zu der Verjüngungskur, die ihm widerfährt, gehören auch Teebeutel, die für ihn gemischt werden (dann heißt er GnTnT), zum Beispiel aus Fruchtzesten, Blüten und Gewürzen, dazu Kräuter-Infusionen oder Espumas, also Schaum obendrauf. Manche werden sich beim Gedanken an einen GnT mit Schaumkrone die Haare raufen. Andere aber sagen: Ja, warum denn nicht? Immerhin konnte ein Gin and Tonic schon immer vieles gleichzeitig: der Lieblingsdrink der Queen Mum sein und trotzdem schön im Schwarzlicht der Disko leuchten.
Kreation & Styling: Max Hildebrandt, Klaus St. Rainer / »Goldene Bar«, München
Fotos: André Mühling