Schnapsidee

Unsere Autorin trifft ihren Kollegen zu Karaoke und ein paar Schlucke vom Reischnaps Soju. Am Ende pfeifen sie beide aus dem letzten Loch – sind aber sowas wie die neuen Eurythmics.

Foto: Erli Grünzweil

Wie geht noch das berühmte Sprichwort: Wer etwas sehr Beklopptes vorhat, muss vorher etwas sehr Fettiges essen. Ungefähr so, und wir können das genau so vor uns stehen lassen wie den Berg frittiertes Huhn, der zwischen meinem geschätzten Kollegen Marvin und mir auf dem Tisch steht. Wir befinden uns nämlich in einer Ausnahme­situation – üblicherweise schreiben, planen und recherchieren wir getrennt unsere Kolumnen, wie sich das für ernsthafte ­Autorinnen und Autoren gehört, aber dieses eine Mal planen und recherchieren wir zusammen, und das sogar ZWEIMAL, geschrieben wird natürlich wie immer einsam und allein, auch das gehört sich für stockernste und stocknüchterne Autorinnen und Autoren.

Die Redaktion dieses Magazins hat uns einen Auftrag gegeben: »Macht doch mal Crossover-Folgen, ihr beiden, wo ihr schon in derselben Stadt wohnt.«

»Jawohl«, haben wir pflichtschuldig gesagt, »geht in Ordnung.«

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Die Idee dahinter ist, dass wir die jeweils andere, den jeweils anderen zu etwas mitschleifen, das sie, er noch nie gemacht hat. Ich bin eine berüchtigte Karaoke-Amazone, Marvin ist ein Karaoke-Greenhorn. Behauptet er. Also gebe ich es ihm richtig hart und miete beim ortsansässigen Karaoke-Koreaner eine schalldichte Musikbox für zwei Personen. Marvin willigt ein, unter der ­Bedingung, dass wir uns vorher mit koreanischem Essen volltanken, weil, und hier kommt dieses Kolumnenformat ins Spiel: echtes Karaoke nur mit echter koreanischer Reisspirituose, genannt Soju.

Der Soju kommt schon zum frittierten Hühnerfleisch, in mittelgroßen klaren Flaschen, sieht einfach aus wie Wasser und versucht, nicht großartig aufzufallen. Wir stopfen uns voll, mit jeweils der Hälfte vom Huhn und zwei dicken Eintöpfen plus Vorspeisen, plus Soju, die Reste lassen wir uns einpacken, nur den Soju packe ich in meine Handtasche, und dann: Gehen. Wir. Rein.

In der Musikbox hat es feuchte 32 Grad, Marvin startet die Technik, wir sind einander vollkommen ausgeliefert, und wie immer, wenn ich in Bedrängnis gerate, trete ich die Flucht nach vorn an und werfe also Dolly Parton und Kenny Rogers an, Islands In The Stream. Ich scheitere grandios, weil die ­Melodiestimme fehlt, gefühlt orientiere ich mich vielleicht an der Gitarre.

Als Eurythmics sind wir defintiv am besten, ach was, wir sind die neuen Eurythmics

»Komm«, sagt Marvin, als wäre nichts passiert, »lass mal direkt mit Queen reingehen.« »Bohemian Rhapsody

»Klar.«

Mama.

Just killed a man.

Wir sind gar nicht so schlecht und beschließen, ­ab jetzt alles zusammen zu singen, nur ich muss mich schon wieder in den Vordergrund drängen und will unbedingt Purple Rain haben, man darf mich in solchen Momenten einfach nicht fragen, warum ich die Dinge tue, die ich tue.

Ha: Es haut hin.

»Wo hast du die Bar-Jazz-Stimme her?«, fragt Marvin, ich deute auf den Soju und schenke uns noch zwei Gläser ein, Marvin drückt auf den Service-Knopf, ein freundlicher junger Mann kommt durch die Tür und bringt uns eine weitere unauffällige Flasche Klares, mir stellt er noch einen bunten ­koreanischen Cocktail vor die Nase, ich muss ihn bestellt haben. Und dann singen wir, bei Gott, wir singen, voll bis zum Rand mit Soju, dem Cocktail und warmer Fanta. Marvin singt die hohen Männerstimmen so schön, und er gesteht mir, dass er als sehr junger Mensch jahrelang mit SingStar auf der Play-Station geübt hat, ich sage leise what? und verirre mich in Madonnas Like A Prayer. Als Eurythmics sind wir defintiv am besten, ach was, wir sind die neuen Eurythmics, aber Marvin ist Annie Lennox.