Schwarze Pumps aus Leder, gelocht wie ein Spitzendeckchen, von Salvatore Ferragamo.
Gibt es die gute Romantik, also die wüste, die unheimliche und somit böse Romantik, nicht die blöde Bildungsromantik, mit der einen Deutschlehrer so oft behelligen? Natürlich gibt es die, man muss nur mal auf die Laufstege schauen.
Von der Mode heißt es ja gern, dass sie stets drei Schritte voraus ist, wobei sie sich aber meistens in Ideen kleidet, die 20 oder eben 200 Jahre alt sind – was überhaupt nicht gegen die Mode spricht, sondern eher gegen den Versuch, in allem ein Zeichen zu sehen. Und trotzdem: Wo kommen all die Mäntel her, die sich wie Decken um die Schultern der mageren Models wickeln, mit schweren Rosen bei Kenzo oder so russisch, als sei die Frau in diesem Herbst eine Puschkin-Prinzessin? Wo kommt die Sehnsucht her, die in den verspielten, verlorenen Schalverstrickungen steckt, wie sie Missoni den Frauen andichtet? Und war es wirklich Edgar Allan Poe, der bei Prada die Nadel führte und die Models derart anpikste, dass sie alles Blut verloren und sich in Kleider packen ließen, die aussehen, als hätte jemand Sofakissen eines alten englischen Schlosses zu einem Abendkleid verarbeitet?
Man könnte nun die Interpretationsmaschine anschmeißen, vor allem, weil auch noch die weise Seherin Rei Kawakubo für Comme des Garçons so puppenhaft poetische Traumtänzerinnen entworfen hat, als sei E.T.A. Hoffmann der heimliche Bruder des amerikanischen Regisseurs Tim Burton – man kann es aber auch sein lassen, denn wohin soll einen der Verweis führen, dass bis vor Kurzem der Hang eher zum Urbanen ging? Vielleicht zu der Feststellung, dass die Finanzkrise auch hier ihre Spuren hinterlassen hat, dass Weltflucht immer auf Geldflucht folgt? Das wäre sicher nicht falsch, was nicht heißt, dass es richtig wäre. Denn auch die Mode, und das ist ja ihr Zauber, ist meistens klüger als das, was man daraus macht. Und je verschlungener die Verbindung zur sogenannten Wirklichkeit, desto wahrer, desto kühner.
Also kann man sich auch einfach all dem hingeben: der Rückkehr ins Kinderreich, wie es Comme des Garçons vorführt, im vollen Bewusstsein, dass diese Reise unmöglich ist; Mis-sonis wehenden Wolllandschaften in Schlamm-Beige und Blau; dem Tweed und den mörderbösen Mänteln von Prada. Das ist der helle Wahn der
Romantik, das dunkle Versprechen, ein Verlangen, das kein Gegenüber braucht, ein Riss, der durch die Welt geht. Wenn wir schon allein sind, dann wenigstens gut angezogen.
Georg Diez rät allen, die mehr über die böse Romantik wissen wollen, den Dichter Lord Byron zu lesen, der unter anderem Zeilen schrieb wie: „She walks in beauty, like the night / Of cloudless climes and starry skies / And all that’s best of dark and bright / Meet in her aspects and her eyes.”
Markus Gaab (Fotos)