Die Sonnenbrille
Klar, warum nicht Frankreich? Die Chance hätte jeder ergriffen. Aber als mein bester Freund damals plötzlich beschloss, für einen Job ins Ausland zu gehen, saß ich da und dachte: Mit wem jetzt abends unter Kastanienbäumen die Gespräche führen, die man nur mit seinem besten Freund führen kann? Mit wem schweigen, wenn es nichts zu sagen gibt? Robert zog nach Frankreich, in den Süden, ich besuchte ihn, wir wanderten durch Antibes, die Hafenstadt, an deren Rand er jetzt lebte. Wir setzten uns in ein Straßencafé, um zu reden, über das Leben und die Frauen, einmal noch wie in den Jahren davor. Die Sonne brannte vom Himmel, und zwischen zwei Gläsern Wein kaufte ich im Laden nebenan die erstbeste Sonnenbrille, die ich finden konnte, eine Ray-Ban, und wir blieben sitzen, bis es dunkel wurde. Ich habe die Sonnenbrille bis heute, ich trage sie oft. Und manchmal sitze ich im Sommer unter einer Kastanie und schaue durch die dunkelgrünen Gläser in die Welt hinaus, und es ist ein bisschen, als säße mein bester Freund neben mir. Gute Brille.
Max Fellmann
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Die blaue Weste
Ich friere oft, aber ich friere nicht gern. Ich werde oft krank, wenn ich friere, und ich werde nicht gern krank. Deswegen packe ich irgendwann – meist in letzter Sekunde – doch noch meine blaue Weste ein. Ins Urlaubsgepäck, in den Fahrrad-rucksack, in die Fußballtasche. Sobald ich die Weste anziehe, wird alles gut. Wenn ich verschwitzt einen Berg hinab-radle, wenn ich in viel zu kalten Zügen oder Flugzeugen sitze, wenn es plötzlich regnet, wenn die Zudecke im Hotel ein Witz ist. Meine Corratec-Weste rettet mich. Sie ist mir zwar ein wenig zu eng, aber das macht sie nur noch wärmer. Außerdem gab es sie nicht mehr größer, der beste Kauf meines Lebens war ein Restposten, von 135 Euro auf 25 runtergesetzt. Damals war der Euro neu und 135 Euro waren fast 270 Mark. 25 Euro waren nur 50 Mark. Irgendwo in der Weste, im Warmen, ist ein halb zerfleddertes Schildchen, auf dem »Windtex« steht, »l’antivento« und »impermeabile«, das heißt – zusammengezählt –, dass mir nichts etwas anhaben kann. Kein Wind. Keine Kälte. Nichts und niemand. Manchmal überlege ich, die Weste einfach nicht mehr auszuziehen.
Die Afrika-Hose
Mein Leben lang habe ich mich gegen praktische Outdoor-Kleidung gesträubt. Mir graute es davor, auszusehen wie Urlauber, die seltene Tierarten vor dem Aussterben bewahren, mit Sonnenhüten, Schnürstiefeln und beigefarbenen Reißverschlusshosen. Doch dann wollte ich durch Afrika reisen. Ich ließ mich impfen, suchte Malaria- und Mückenmittel zusammen und packte eine Multifunk-tionstasche.
Und dann ging ich, nur zur Sicherheit, doch mal in einen dieser Outdoor-Läden. Ich schüttelte den Kopf, als ich das unförmige Ding sah, das der Verkäufer anschleppte: eine beigefarbene Hose mit Reißverschlüssen unter den Knien! Er aber meinte, ich würde noch sehr dankbar sein, der Stoff, der Schnitt – alles eine einzige Innovation. Der Mann war offensichtlich für diese Art von Verkaufsgespräch ausgebildet. Obwohl ich ihm kein Wort glaubte, kaufte ich das Hosendings.
In Afrika versuchte ich es genau einen Tag lang mit einer anderen Hose. Die klebte nach 23 Minuten an meiner Haut wie einer dieser Ganzkörperschwimmanzüge. Dann saugte sich der Stoff am Plastik der Autositze fest und wurde steif. Schon am Nachmittag wechselte ich in das Hosendings – und zog es während der nächsten zwei Wochen nicht mehr aus. Ein Wunderwerk: Man schwitzt niemals, kein Quentchen Schmutz bleibt hängen, Wasser perlt daran ab, und Mücken verbiegen sich den Stachel am Stoff. Dazu wirkte die Hose jeden Tag wie frisch gewaschen und gebügelt, volle zwei Wochen lang. Nach meiner Rückkehr kaufte ich noch ein Paar vernünftige Schnürstiefel und sogar einen Sonnenhut. Und ja – seitdem sehe ich im Urlaub aus wie jemand, der eine vom Aussterben bedrohte Tierart retten will.
Kerstin Greiner
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Die gute Matte
150 Mark! Mein Gott, dafür kann ich in Urlaub fahren!, dachte ich, als ich vor neun Jahren meine Isomatte von Therm-A-Rest kaufte. Aber seither hat sie keinen Atemzug Luft verloren. Ich schlafe auf ihr besser als in vielen Betten, manchmal, wie in Italien, dann eben neben dem Hotelbett. Ich lag mit ihr auf Wurzeln, Dornen und Steinen, am Strand und auf Felsplateaus. Sie war verschlammt, verstaubt, versandet, egal: abwischen und weiter. Ob Gymnastik oder Mittagsschlaf – sie kann alles. Nur eines weiß ich nicht: ob man sie auch als Luftmatratze mit ins Wasser nehmen kann. Aber ich wette, man könnte auf ihr sogar über den Ärmelkanal surfen.
Frederik Jötten