Der Stein
»Eigentlich kann nichts aus sich selbst heraus schön sein. Dinge werden wertvoll für uns, wenn wir eine Beziehung zu ihnen haben. Trotzdem, wenn ich einen schönen Stein am Ufer eines Flusses finde, hebe ich ihn auf. Warum? Ich weiß es nicht – er zieht mich einfach an, ich muss ihn berühren.« Naoto Fukasawa, 55, arbeitet als Industriedesigner in Tokio, zum Beispiel für die japanische Marke Muji.
Der Schwan
»Alle Objekte der Natur sind perfekt – sogar der Dodo (ein flugunfähiger, inzwischen ausgestorbener Vogel). Wie sollte die menschliche Kreativität auch mit der Evolution mithalten können, die Millionen von Jahren Zeit hat, Formen zu entwickeln, zu testen und neu zu entwickeln? Dagegen hat der Mensch keine Chance. Nie wird er so was Perfektes wie den Hals eines Schwanes hinbekommen.« Jasper Morrison, 51, lebt als Produkt- und Möbeldesigner in London.
Die Seeanemone
»Einer unserer Stühle sieht aus wie eine Seeanemone – ein einmaliges und wunderschönes Tier, weil es fest und flüssig zugleich, ja eigentlich fast immateriell ist. Wenn eine Seeanemone in den Wellen des Meeres schaukelt, sieht es aus, als würde sie sich zu Musik von Bach bewegen.« Die Brüder Fernando und Humberto Campana, 50 und 58, sind brasilianische Möbeldesigner.
Die Uferbüsche
»Ich bin in der Bretagne aufgewachsen, nahe am Meer. Am Ufer stehen oft kleine Büsche, deren Ästchen in Windrichtung wachsen. Zusammen sehen diese Büsche aus wie eine Art Panzer, der sich gegen die raue Brise stemmt. Die kleinen Äste folgen in ihrem Wachstum einer bestimmten Logik. Sie passen sich von allein der Natur an, das finde ich faszinierend.« Erwan Bouroullec, 35, ist Möbeldesigner und arbeitet zusammen mit seinem Bruder Ronan in Paris.
Der Regenbogen
»Ein Regenbogen ist immer wieder faszinierend. Gerade erst habe ich in der Toskana einen gesehen, der war größer als ein Halbkreis. Wir standen auf einem Berg, und der Regenbogen zog sich unter uns über das Tal. Farben faszinieren mich seit meiner Kindheit. Das Besondere am Regenbogen: Er ist nicht materiell. Seine Form – fast nie als Kreis sichtbar – ist wie die perfekte Unvollkommenheit. Der Regenbogen kommt einer Illusion sehr nahe.« Alfredo Häberli, 47, lebt als Architekt und Designer in der Schweiz.
Die Mondfinsternis
»Bei der Sonnenfinsternis 1999 rannten wir alle aus dem Studio. Die Vögel verstummten, für einen Moment stand alles still. Diese Eklipse am Himmel war magisch, ihre Form perfekt – ein Kreis eben, unendlich, nicht zu verbessern. Man sieht einen Lichtkranz und weiß nicht, ob man in die Leere starrt oder ob da irgendwas am Himmel schwebt. So eine Sonnenfinsternis ist unfassbar viel größer als alles, was wir sonst auf der Erde beobachten können.« Jay Osgerby, 41, ist ein Partner des
Londoner Designbüros BarberOsgerby.
Die Sanddüne
»Neulich bin ich durch unsere Abteilung gelaufen und sah Fotos von Sanddünen an einer Pinnwand. So eine Düne ist faszinierend – ihre Form ist weich und geschwungen, die Linien und Kanten aber sind scharf und präzise. Je nach Lichteinfall sieht eine Düne anders aus. Und genau diesen Effekt versuchen wir auch bei unseren Autos zu erreichen, indem wir uns fragen, wo wir das Blech wölben müssen, damit sich Eleganz, Dynamik und Schnittigkeit einstellen. Natürlich soll ein Auto gut fahren, aber
es sollte eben auch Charakter ausstrahlen, wenn es nur am Straßenrand steht.« Adrian van Hooydonk, 47, ist Niederländer und Chef-Designer bei BMW.
Die Qualle
»Die Qualle ändert ständig ihre Farbe und Form, sie besteht zu 98 Prozent aus Wasser, eigentlich ist sie flüssig und damit so unbeständig wie die Welt, in der wir leben: Alles ändert sich ständig. Nichts ist fest. Nichts für immer.« Gaetano Pesce, 71, ist italienischer Architekt und Designer.
Der Ahornsamen
»Ich arbeite gern im Garten und interessiere mich für Samenkörner, ihre Form, ihren Flug, ihre Lebenskraft. Am meisten beeindruckt mich der Ahornsamen. Er kreiselt wie ein leichter, pflanzlicher Schmetterling durch die Luft. Dabei verliert er keine Energie, der Wind trägt ihn. Er ist anmutig und effizient – zwei Aspekte, die sich normalerweise kaum vereinen lassen.« Inga Sempé, 42, lebt als Möbeldesignerin in Paris.
Die Erdkugel
»Grundsätzlich finde ich, dass es bei Design nicht um Schönheit geht. Das Ding muss funktionieren. Gutes Design löst ein Problem und verändert etwas zum Besseren. Die Ästhetik ist ein Nebenprodukt gelungener Gestaltung – nicht anders herum. Aber wenn Sie mich so fragen: Die Erdkugel, die ist perfekt.« James Dyson, 64, ist ein britischer Erfinder, Designer und Unternehmer.
Die Wolke
»Die Wolke ist das perfekte Symbol für Veränderung und Verschiedenheit. Das ist mir zum ersten Mal nicht in der Natur aufgefallen, sondern in Shakespeares Hamlet, wenn Hamlet und Polonius darüber sprechen, ob eine bestimmte Wolke nun aussieht wie ein Kamel oder ein Wiesel. Ich weiß noch, wie der Name Coop Himmelb(l)au zustande kam: Wir sahen eine Wolke, die aussah, als würde sie am Flügel eines Flugzeugs hängen, drum herum der strahlend blaue Himmel – damals beschlossen wir, dass unsere Architektur leicht und veränderbar sein soll, wie Wolken.« Wolf D. Prix, 68, ist einer der drei Gründer des Architekturbüros Coop Himmelb(l)au.
Der Grashalm
»Ein Grashalm ist für mich ein statisches Naturwunder. Er funktioniert wie ein Wolkenkratzer: Sehen kann man nur seine schlanke Linie, unter der Erde aber lagert ein hocheffizientes Fundament, das ihn elas-tisch macht. Ganz ehrlich, manchmal wäre ich gern selber einer – gaukelnd, schwingend, leicht und zufällig.« Matteo Thun, 58, ist ein italienischer Architekt und Designer.
Das Ei
»Bei Designobjekten klafft immer eine Lücke zwischen Form und Funktion. Diese Lücke ist der Ort, wo Gestalter ansetzen und sich austoben können. Der italienische Designer Bruno Munari hat mal gesagt, es gibt nur ein Ding, dessen Form und Funktion perfekt aufeinander abgestimmt sind: das Ei – und das hat kein Mensch erfunden, nein, "es kommt einfach aus einem Hintern".« Alberto Alessi, 64, ist Marketing- und Designvorstand von Alessi.
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