Bei Yoni und Orly in Israel

Mitten in der Negev-Wüste: eine Idee davon, wie das Leben der frühen Siedler ausgesehen haben mag.


Die erste Regel, die man bei Yoni und seiner Frau Orly lernt, ist zu trinken, ohne Durst zu haben. Die zweite: in den Schatten zu gehen, noch bevor man schwitzt. In der Negev-Wüste im Süden Israels ist die Hitze so trocken, dass man ihre Wucht nicht sofort merkt. Wir sitzen also im Schutz eines mit Weinranken bewachsenen Pavillons, der Wind lässt die Blätter über unseren Köpfen rascheln. Yoni schenkt Tee aus Salbei und Zitronengras in kleine Gläser und füllt nach, sobald eines ausgetrunken ist.

Er und seine Frau leben seit acht Jahren an diesem unwirtlichen Ort. Vom Pavillon blickt man auf ihr Haus, ein zweckmäßiger Flachbau, dahinter fällt die Landschaft ab in ein ockerfarbenes Tal, in dem große Gesteinsbrocken das Einzige sind, woran das Auge sich festhalten kann. Die Steine liegen da, als hätte sie eine Hand vom Himmel über das Gelände gestreut. Früher zahlten Karawanen, die mit Gewürzen und Parfum vom Jemen zu den Häfen in Gaza unterwegs waren, ein Vermögen, damit Nomaden sie sicher durch diese Gegend führten.

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Yonis Haut ist von der Sonne braun und ledrig, Orly trägt weite Kleidung, die nur den Kopf unbedeckt lässt. Beide sind Anfang 40. Bevor sie hierherkamen, lebten sie in Sde Boker, einem Kibbuz fünf Kilometer nördlich. Kibbuzim gibt es heute noch in ganz Israel: Gemeinschaften, die ihre Häuser auf tristen Boden bauen, um ihn zu bewirtschaften, weil das Land zu klein ist, um einen Fleck ungenutzt zu lassen. Früher kamen Menschen aus der ganzen Welt, um mitzuhelfen, der ursprüngliche Gedanke war sozialistisch, Privateigentum gab es nicht. Mittlerweile sind die meisten Kibbuzim jedoch privatisiert, die Bewohner besitzen eigene Häuser, Bankkonten und Anteile an den Produktionsstätten. Für Reisende haben sie Hoteltürme gebaut, mit Pool und Restaurant, wo man vom Alltag der Bewohner nichts mehr mitbekommt.

Bei Yoni und Orly dagegen kriegt man noch einen Eindruck vom alten Siedlerleben. Zwar gibt es fließend Wasser und Strom, der nächste Nachbar aber lebt zwei Kilometer entfernt hinter den Hügeln. Zum Frühstück gibt es Marmelade aus den Äpfeln, Aprikosen und Zitronen, die hinter dem Haus wachsen, Eier von eigenen Hühnern und frisch gebackenes Brot. Wer möchte, kann auch Kamelmilch probieren. Sie schmeckt weniger exotisch, als man denkt, wie frisch gemolkene Kuhmilch, und soll die Abwehrkräfte stärken und bei Hautkrankheiten helfen. Inbel und Hammerhead, das Kamelpaar, lebt unten im Tal. Die beiden missachten die Regeln der Wüste: Sie stehen den ganzen Tag in der prallen Sonne und trinken dabei nicht mehr als ein Mensch. Hammerhead knirscht gelassen, aber dauerhaft und gut hörbar mit den Zähnen. Inbel sieht aus, als hätte sie zu stark am Joint gezogen. Angeblich sind Kamele so sozial wie Affen oder Delfine. Manchmal kommen deshalb Trauma-Patienten, um im Kontakt mit den beiden wieder in die Welt zu finden.

Die anderen Gäste, die hier einkehren, finden vor allem eins: Ruhe. »Hier ist nichts. Kein Gerenne, das ablenkt«, sagt Orly, »du bist hier das, was du hast. Was du brauchst, musst du selber machen.« Die meisten, die kommen, sind Manager, Soldaten im Urlaub oder Hochzeitsreisende – Menschen, die gern allein sein wollen. Yoni grinst. »Für Pärchen ist das auch ein guter Ort, um Kinder zu machen«, sagt er. Yoni und seine Frau haben fünf.

Nach dem Tee zeigt er uns den Kräutergarten: Salbei, Zitronenverbene, Minze und Storchschnabel – »all das wächst hier, wenn man sich nur genug darum kümmert«. Das Wesentliche wieder zu schätzen – auch das lernt man hier.

Vom Garten aus führt ein Trampelpfad zu den beiden Steinbungalows für die Gäste. Die Einrichtung ist schlicht: zwei Betten, Kochnische, kein Fernseher, kein Internet. Dafür: eine Badewanne und eine Veranda mit Blick in die Weite. In der grellen Mittagssonne hatte sie fast etwas Bedrohliches, aber abends, wenn die Steine im Tal in warmes Licht getaucht werden, ist sie weich und wunderschön.

Kontakt: Tel. 00972/(0)50/980 00 69, orlyya12@gmail.com, www.orlyya.co.il, Bungalow für zwei Personen inklusive Frühstück ab 120 Euro/Nacht.

Fotos: Felix Brüggemann