Die Katakomben der Arktis

Klingt nach Ewigkeit, doch die Eishöhlen in Grönland sind vergänglich: Bei Föhn sollte man zusehen, dass man zügig rauskommt.

Ort In die Eishöhlen Grönlands seilt man sich an eingefrorenen Wasserfällen ab. Eine Tour führt hundert Meter unter die Oberfläche. Die Höhlen entstehen im Sommer, sobald auf der Insel der Schnee schmilzt. Reißende Wasserläufe graben Tunnel und Schächte in das Eis. Versiegt der Schmelzwasserstrom im Herbst, kann man hinabklettern in die Katakomben der Arktis. Das Eis ist glasklar, durch den Druck speichern sich darin keine Luftblasen, oft reicht der Blick mehrere Meter in das Eis hinein.

Umgebung Die Höhlen liegen etwa 35 Kilometer entfernt von Kangerlussuaq, dem Ort mit dem wichtigsten Flughafen der Insel. Etwa 500 Menschen leben dort, alle haben ein Gewehr, mit dem sie in der Umgebung Moschusochsen jagen, aber nur einer von ihnen klettert regelmäßig in die Höhlen: Kim Petersen, 53 Jahre alt, aufgewachsen in einem kleinen dänischen Dorf. Seit 25 Jahren lebt er in Kangerlussuaq, und seit 1996 ist er süchtig nach den Höhlen. Sein Rekord liegt bei 203 Metern unter der Oberfläche. »Das Gefühl da unten lässt sich nicht beschreiben. Es ist ein Kick – und dort runterzuklettern ist auf jeden Fall eines der schönsten Dinge in meinem Leben.« Petersen ist der Fremdenführer ins Eis.

Gefahr Das Eis ist vergänglich. Und das bedeutet Gefahr. Während man hinabsteigt ins Dunkel der Höhle, kann oben der Wind drehen. Bei Föhn schmilzt der Schnee, Wasser läuft in die Höhle. Wer dann nicht sofort wieder nach oben steigt, riskiert sein Leben, weil das schnell frierende Wasser den Aufstieg blockiert. Schneit es oben zu sehr, ist es auch nicht viel besser, denn dann kann der Eingang zur Höhle bedeckt werden. Es knarrt, es rumpelt, man sollte kein ängstlicher Mensch sein, um diesen Ort genießen zu können.

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Touristen Nur wer Gletscherwanderungen und Höhlenklettern kennt, sollte sich hinabtrauen. Eishöhlenklettern ist nichts für Minderjährige und Personen über 45 Jahre. Eine Tour kann wenige Tage oder auch Wochen dauern, sie sollte drei Monate im Voraus geplant sein. Die Kletterer schlafen in Zeltlagern an der Oberfläche.

Beste Zeit Die Saison ist kurz, sie dauert nicht länger als sechs Wochen zwischen Oktober und November.

Geschichte Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Kangerlussuaq nicht mehr als ein Jagdgebiet für die Inuit. Erst als 1941 die US Air Force einen Stützpunkt errichtete, siedelten sich die ersten Bewohner an. Kangerlussuaq wurde zu einem wichtigen Transit-Flughafen, unter anderem für die Versorgung von Westdeutschland und Westberlin. Die Geschichte des Eishöhlenkletterns begann später, wohl im Jahr 1989. Wie lange sie in Kangerlussuaq weitergeht, hängt auch davon ab, ob Kim Petersen bald einen Nachfolger für sich finden wird. Zehn Jahre schafft er es noch, sagt er. www.kangadventure.dk/ny/, nur in Dänisch, E-Mail: kimmp@greennet.gl.

Übernachten Nur hundert Meter entfernt vom Flughafen liegt die »Polar Lodge«, 2006 renoviert. DZ ab 115 Euro. Tel. 00299/84 16 48, www.wogac.com.

Essen Fisch, Wal und Fleisch von Moschusochsen und Rentieren, alles traditionelle grönländische Gerichte, gibt es im Restaurant »Roklubben«, gleich am Ufer des Lake Ferguson gelegen (Tel. 00299/52 45 26). Ein Supermarkteinkauf kann teuer werden, weil die meisten Nahrungsmittel importiert werden.

Anreise Von Kopenhagen mit Air Greenland nach Kangerlussuaq. Der Flug dauert vier bis fünf Stunden. Im Sommer sechsmal in der Woche, im Winter nur viermal.

Unbedingt eine Safari zu den Herden der Moschusochsen unternehmen – den größten in ganz Grönland. Das Polarlicht kann ab Oktober ohnehin niemand verpassen, man sieht es fast jeden Tag.

Bloß nicht allein aufs Eis gehen. Nur in der Begleitung erfahrener Kletterer, ausgerüstet mit Bergsteigermontur und Satellitentelefon, sollte man sich trauen.

Fotos: Branding Greenland Group