Bruno, mein alter Freund, sagt, kein Spielzeug sei je so erfolgreich gewesen wie der Rubik’s Cube. Seit den Siebzigerjahren habe man 350 Millionen Stück davon verkauft, gigantisch. Mich hat das Ding nie so recht interessiert: einen in sich beweglichen Kubus aus jeder beliebigen Stellung so zu drehen, dass am Ende jede Würfelseite nur noch eine Farbe hat, na ja, wenn man zu viel Zeit hat …
Es ist ein Logik-Geduldsspiel. Dafür fehlt mir erstens die Fähigkeit zum und zweitens das Interesse am logischen Denken, drittens Geduld. Was mich aber vom Stuhl haut, ist die Nachricht, dass die Filmrechte am Cube verkauft werden. Ein Kinofilm über diesen Würfel? Wer könnte der Regisseur sein? Wie müsste der Film heißen? Was wäre seine Handlung? Dazu drei Vorschläge.
Erstens: Aki Kaurismäki dreht Würfel der Vorstadt (finnisch: Wüürffyylly Hälsinkkiäää). Der versoffene, graugesichtige Hilfsarbeiter Kimi verbringt, nachdem ihn seine Frau verließ, seine Freizeit in einer grau möblierten Wohnung damit, mit grauen Händen an einem Rubik’s Cube zu drehen, ohne je zu einer Lösung zu kommen. Der Würfel ist das einzig Farbige in seinem Leben, aber je länger Kimi an ihm dreht, desto grauer wird auch das Bunte am Würfel. In langen melancholischen Sequenzen wird gezeigt, wie der Held in wortlosem Versteinern mit diesem Ergrauen ringt. Bevor die letzte Farbe aus dem Würfel weicht, sieht man Kimis Ex-Frau die Treppe hochsteigen. Sie will ihm sagen, dass sie den Würfel manipuliert hat: Die Farbflächen der Unterwürfel sind so verändert, dass eine Lösung unmöglich ist, es kann gar keine einheitliche Farbfläche mehr geben. Aber sie kommt zu spät. Als sie die Wohnung betritt, ist bereits alle Farbe aus dem Würfel gewichen. In einer zwanzigminütigen Einstellung wird gezeigt, wie auch die Frau nun langsam grau wird.
Zweitens: Jonathan Demme dreht Das Schweigen der Würfel. Der perverse Mörder Würfello Kill bringt zahlreiche Menschen um, presst ihre Leichen in Würfelform und lackiert die Außenflächen bunt. Eine Ermittlerin versucht ihm mit Hilfe eines Triebtäters namens Rubikal Cuber auf die Spur zu kommen, der lebenslänglich im Gefängnis sitzt, weil er in Spielzeugläden einbrach und den Würfeln dort die Farbflächen vom Leib zog, um anschließend ihren Drehmechanismus zu essen. Rubikal Cuber ist Psychiater. In den Gesprächen mit der Ermittlerin findet er seinerseits heraus, dass sie auf der Jagd nach Würfello Kill ein frühkindliches Trauma zu verarbeiten sucht: Nach dem Tod ihres Vaters wuchs sie neben der Rubik’s Cube-Fabrik auf und hörte beim Einschlafen das entsetzliche Knirschen der sich drehenden Würfel. Mit Hilfe von Rubikal Cuber wird Würfello Kill gefasst, aber Cuber entkommt seinerseits. In einem letzten Telefonat mit der Ermittlerin schweigt er am Schluss, man hört aber einen Würfel knirschen.
Drittens: Woody Allen dreht Was Sie schon immer über Würfel wissen wollten. Aber nie zu fragen wagten. In einer Episode sehen wir Alvy Würfelzucker, einen kleinen Angestellten in New York. Er lebt in einem Apartment zusammen mit seinem Rubik’s Cube, der am Frühstückstisch auf dem Platz vor ihm, beim Fernsehen auf seinem Knie und beim Einschlafen im Bett neben ihm liegt. Dieser Würfel wurde ihm von seiner Mutter geschenkt. Aber eines Tages geht er kaputt; er lässt sich nicht mehr drehen. Würfelzucker geht mit ihm in die Praxis des bekannten Würfelheilers Professor Rubibucek, der ihm aber nicht hilft, sondern sich in Alvy’s Würfel verliebt. Er brennt mit ihm durch, man sieht Rubibucek in Hotelbetten bei Kerzenlicht neben dem in Satin-Unterwäsche gewickelten Würfel liegen, während Alvy Würfelzucker durch Manhattan irrt, bis er bei Macy’s eine Schach-Dame stiehlt und mit ihr ein eventuell besseres Leben beginnt.
Denkbar weiterhin: Cubezilla von Roland Emmerich (eine Pyramide in Ägypten entpuppt sich als Spitze eines im Sand vergrabenen Riesenwürfels, der, von einer Mumie gesteuert, sich selbst ausgräbt und die Welt bedroht) sowie Cube Fiction von Quentin Tarantino, in dem einige Menschen sich für die beim Spiel mit dem Rubik’s Cube verlorene Zeit an den Würfeln persönlich rächen wollen, in dem sie diese bei lebendigem Leib in der Luft zerreißen, mit Beilen zerhacken oder mit Maschinengewehren in Stücke schießen.
Illustration: Dirk Schmidt