Monatelang stehen wir nun schon vorm großen Sexualtheater mit all den Berlusconis, Strauss-Kahns, den Schwarzeneggers und auch Kachelmännern, vor tiefen Stürzen, großen Obsessionen, billiger Glücksjagd und rasender Geilheit.
Nun muss jedoch mal die Rede sein von Don Gorske aus Fond du Lac in Wisconsin. In seiner Geschichte spielen Spermaflecken, Zimmermädchen, verschwiegene Schwangerschaften, minderjährige Prostituierte, Bunga-Bunga und Bling-Bling nicht die allergeringste Rolle. Aber es ist doch die Rede von Besessenheit, ja, Wahnsinn.
Don Gorske hat vor Kurzem unter großer Anteilnahme von Presse, Funk und Fernsehen seinen 25 000. Big Mac gegessen.
Man stellt sich nun, angesichts dieser Nachricht, Mister Gorske sofort als Fettkloß sondergleichen vor, mit über den Stuhlrand quellenden Arschwülsten, den Gürtelbereich verdeckenden Fleischringen und Vierfachkinn. Aber so ist es nicht. Gorskes Äußeres hat was von John Lennon, man sieht ihm nicht mal seine 57 Jahre unbedingt an. Nicht dass er asketisch wirkte, aber von den Lastwagenladungen an Weichsemmeln und Fleischscheiben ist doch erstaunlich wenig an ihm hängen geblieben.
Gorske sagt, er habe seinen ersten Big Mac am 17. Mai 1972 gegessen. Um den Kauf eines neuen Autos zu feiern, habe er drei von den Dingern bestellt. Es sei wie eine Offenbarung gewesen, er habe im Lauf des Tages noch mal drei zu sich genommen, dann drei weitere, also neun.
An einem Tag.
Die Sache hat sich dann so entwickelt, dass Gorske in den folgenden 39 Jahren pro Tag im Schnitt zwei Big Macs aß, nur an acht Tagen pausierte er, zuletzt Thanksgiving 2000, da war die »McDonald’s«-Filiale geschlossen, und er hatte keine Vorräte mehr daheim. Es ist nämlich so, dass Gorske jeden Montag sechs und jeden Donnerstag acht Big Macs kauft und sie teilweise einfriert, so hat er immer was zu essen, und da ein Big Mac im Schnitt ungefähr 60 Millimeter hoch ist, hat Gorske bisher einen 1,5 Kilometer hohen Turm von doppelstöckigen Hackfleischsemmeln verzehrt, ein standardisiertes Produkt aus Brötchen, Eisbergsalat, Fleisch, Gewürzgurkenscheibchen, Cheddarkäse, Zwiebelwürfeln, Soße und Sesamsaat.
Pommes nimmt Gorske nie. Big Macs wird er essen, bis er stirbt. (Wozu noch zu sagen wäre, dass seine Cholesterinwerte okay sind, er isst auch andere Sachen und bewegt sich regelmäßig.) Er notiert jeden Kauf im Kalender, hebt jede Quittung auf, überhaupt zählt er gern Dinge, zum Beispiel isst er jeden Big Mac mit 16 Bissen. Er liebt Wiederholungen. Er hasst Veränderungen. Von Beruf war er, bis zur Pensionierung, Gefängniswärter.
Man wird also, ohne Gorske zu nahe zu treten, sagen können, dass er ein zwanghafter Mensch ist. Und wie seltsam, dass man seine Geschichte gleichzeitig fürchterlich und anrührend findet. Fürchterlich, weil sie zeigt, welchen Preis der Mensch bisweilen zahlen muss, um alles Liederliche und Wüste und alle Angst vor dem Liederlichen und Wüsten in sich zu bannen: 25 000 Big Macs essen und zählen und Ruhe! Anrührend, weil man diesen Gorske vor sich sieht, wie er isst und zählt und zählt und isst und Ruhe hat und versucht, dabei ein glücklicher Mensch zu sein.
Übrigens: Glück. Da wäre noch ein alter Mann namens Moses Peter. Moses Peter traf vor sieben Jahren einen anderen Mann, der ihn unvermittelt fragte, woher der Samen für den ersten Baum auf der Welt gekommen sei. Moses Peter wusste es nicht, aber er beschloss damals, seinem Leben eine Wendung zu geben. Seitdem steht er (schlohweiß das vom Stirnband gebändigte Haar, einen großen Stock in der Hand) Tag für Tag an der Straße zwischen Torbay und Paignton in Südengland und winkt den Autos zu. Er hält das für seine Aufgabe im Leben. Er sagt, er versuche so, ein Stück Glück ins Leben anderer Menschen zu bringen. Einfach immer da sein, freundlich winken, Moses heißen – das ist sehr wenig.
Aber so geht’s tatsächlich auch, so geht es also auch.