Das Beste aus aller Welt

Derzeit ist viel von der Hygiene-Ampel für Restaurants die Rede. Aber geht diese Idee wirklich weit genug? Schließlich gibt es noch viele andere Orte, an denen wir mit Dreck in Kontakt kommen.

Eine der erstaunlichsten Nachrichten dieser Tage fand ich auf der Internetseite der Arizona State University, wo nämlich die Top Ten der im Jahr 2010 neu entdeckten Tierarten verzeichnet sind. Wobei erst mal erstaunlich ist, dass überhaupt noch neue Tierarten entdeckt werden, man denkt immer, was Tiere angeht, sei nun wirklich alles klar – aber weit gefehlt. Zum Beispiel fand man in der Nase eines peruanischen Mädchens einen bisher unbekannten Blutegel namens Tyrannobdella rex, ein bemerkenswert widerliches Tier, das aussieht wie eine uralte Fingerkuppe mit einem Maul vorne, in dem scharfe Zähne zu sehen sind.

Ich stellte mir gerade vor, was es für ein Gefühl wäre, in meiner Nase würde eines Tages eine unbekannte neue Tierart entdeckt, und dachte darüber nach, wie viele Menschen täglich mit zahnlosen Fingerkuppen in der Nase nach unbekannten Wesen suchen, dem fürchterlichen Riesenpopel Tyrannopopelus nasenverschließens zum Beispiel, da las ich schon von der Auffindung der nagelneuen Antilopen-Art Philantomba walteri, die sage und schreibe auf einem Fleischmarkt in Afrika gefunden wurde; das ist, als würde ich beim Einkauf in der Metzgerei Koteletts einer der Welt bisher unbekannten Schweinerasse sehen, die natürlich sofort nach mir benannt würde, mir, dem fortan berühmen Kotelettforscher H.

Wenn wir gerade vom Suchen und Finden reden: Die Presse hat am Rande der EHEC-Fahndung mal wieder einen Blick auf die Hygiene-Gewohnheiten der Deutschen geworfen, mit dem üblich niederschmetternden Ergebnis. Die Deutschen hielten sich selbst zwar für reinlich, las ich, besäßen aber in Wahrheit oft Spüllappen, die biologischen Waffen ähnlich seien, ihre Zahnbürsten seien nicht selten von Bakterienrasen bewachsen, und in ihren Kühlschränken feierten aberwitzigste Keime dionysische Erregerfeste. Weniger als 40 Prozent der Bürger wüschen ihre Hände in der von Wissenschaftlern dringlich verlangten Dauer von 20 Sekunden.

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Wie ist das möglich? Wie können wir in einem solchen Schweinesystem leben? Haben nicht erst im Mai die Verbraucherschutzminister der Länder beschlossen, Restaurants mit einer Ampel zu kennzeichnen, welche die Ergebnisse der jüngsten amtlichen Hygiene-Kontrollen dort wiedergibt? Warum machen wir das nur mit Restaurants? Warum wird nicht jeder Haushalt pro Jahr wenigstens einmal von Bakterienfahndern aufgesucht, die einen Hygiene-Status erstellen? So dass ich, beim Nachbarn auf einen Kaffee eingeladen, schon an der Haustür-Ampel erkenne, unter welchen Bedingungen der Kaffee gebrüht wurde.

Das könnte ein Anfang sein, ein Anfang! Der Erziehungsstaat, zu dem sich unser Gemeinwesen entwickelt, müsste weitergehen, das erwarten wir inzwischen vom Staat, oder? Wir wählen Ministerpräsidenten, die uns erklären, welche Autos sie für pornografisch halten, wir verbieten das Rauchen an allen erdenklichen Orten, wir gewähren Männern Erziehungsmonate, um sie zu besseren Vätern zu machen – also: Der Staat entwickelt uns in moralischer Hinsicht nach oben.

Da wäre es nur richtig, wenn jeder von uns eine Hygiene-Ampel am Revers trüge, die zum Beispiel anzeigt, wenn einer bei den behördlichen Untersuchungen der letzten Zeit aufgefallen ist, was Zahl und Umfang seiner Händewaschungen anging. Man würde dann vermeiden, ihm die Hand zu reichen (und ihn vielleicht lieber umarmen oder küssen; das ist, was man so hört, in jedem Fall weniger bedenklich, was den Keimaustausch angeht).

Dem Bericht über eine wie immer repräsentative Umfrage des Marplan-Institutes entnehme ich, dass 4,5 Prozent der Männer die Unterhose nur einmal wöchentlich wechseln. Auch hier wäre, meine ich, der Ampelgedanke der Volksgesundheit dienlich, indem an geeigneter Stelle ein rotes Warnlicht Gefährdeten in letzter Sekunde Einhalt geböte.

Was der unweigerlich ansteigende Verbrauch von Wasser und Waschmitteln in der Umwelt anrichtet, darüber mögen die zuständigen Minister der Länder nachdenken. Ich habe hier nicht genug Platz, um alle Probleme auf einmal lösen.

Illustration: Dirk Schmidt