Carla Bruni

Die Frage, wer Carla Bruni nun wirklich ist, treibt einen bestimmten Typ Mann schon länger in den Wahnsinn. Man findet ihn in allen Schichten und Milieus, vom frankophilen Plattenkäufer bis zu den reichsten und berühmtesten Exemplaren der Gattung – Kaliber wie Eric Clapton, Mick Jagger oder Donald Trump. Dabei verraten Brunis blaue Eskimoaugen, ihre gemeißelten Backenknochen und ihre versponnenen Interviews tatsächlich überhaupt nichts über sie. Eine Begegnung mit ihr kann man sich ungefähr so vorstellen wie eine Stunde mit einem ihrer Popalben: träumerisch, erotisch, nicht unintelligent, angenehm unterhaltend und einlullend, alles in allem makellos – und doch so ohne Mehrwert und Nachgeschmack, dass man sich schon zwei Sekunden später fragt, ob das alles wirklich passiert ist. Ähnlich fühlen sich, glaubt man ihren öffentlichen Aussagen, ihre Exlover. Dass die Frau jetzt zu Weihnachten die Ruinen des ägyptischen Gizeh besucht hat, passt: Da standen sich die beiden größten Sphinxen der Weltgeschichte mal gegenüber.

Seitdem klar ist, dass Carla Bruni an der Seite von Nicolas Sarkozy die neue First Lady Frankreichs werden könnte, stellt sich die Frage nach ihrem Wesen allerdings mit neuer Dringlichkeit. Ist sie nichts weiter als ein perfekter Spiegel, der die Ängste, die Träume, die Gier und den Größenwahn ihrer männlichen Verehrer bündelt und in höchster Konzentration zurückwirft? Ist sie gerade deshalb vielleicht die ideale Gefährtin für Sarkozy, der sich wie kein anderer aktueller Politiker an den mannigfachen Spiegelbildern orientiert und berauscht, die er ständig von sich erzeugt? Das wäre natürlich die einfachste Deutung: Carla Bruni bleibt, wer sie ist, unerreichbar und undurchschaubar, und erlaubt dem französischen Präsidenten aus Gründen, die nur sie selber kennt, sie eine Zeit lang als Projektionsfläche zu bespielen. Schon trägt sie denselben Ring am Finger wie seine Exfrau Cécilia, schon wohnt sie im Élysée-Palast, bald wird sie vielleicht, wie ihre Vorgängerin, sogar »Stabschefin« an Sarkos Seite. Das klingt ein bisschen nach Fixierung und Gaga und Hitchcock. Das kann aber doch nicht alles sein.

Meistgelesen diese Woche:

Mehr Aufschluss verheißen zwei tolle Episoden, die aus Carla Brunis Biografie überliefert sind. Die eine funktioniert wie ein Claude-Chabrol-Film und spielt, welch fantastische Kulisse, im palastartigen marokkanischen Sommerhaus eines berühmten französischen Philosophen. Im Jahr 2000 reist Carla Bruni als Geliebte eines anderen berühmten Philosophen an, der die fünfzig auch schon überschritten hat. Alle reden, so stellt man sich das zumindest vor, pausenlos druckreif über das Leben, die Liebe und die letzten Dinge. Dann wirft Carla ein Auge auf den 25-jährigen Sohn ihres Lovers, der natürlich ebenfalls Philosoph ist, aber leider mit der Tochter des Gastgebers verheiratet, es folgt eine große Verwirrung der Herzen… Am Ende jedenfalls reist Bruni mit dem jungen Mann ab, zerstört seine Ehe, zeugt ein Kind mit ihm und widmet ihm einen wunderschönen Song.

Die zweite Geschichte ist auch nicht schlecht. Da ist Carla Bruni gerade mit Eric Clapton zusammen, der sie für die große Liebe seines Lebens hält. Sie besuchen ein Rolling-Stones-Konzert, und auf Carlas Drängen bringt Clapton sie backstage hinter die Bühne. Er ist nicht blöd, er ahnt genau, was das bedeutet. »Bitte, Mick«, sagt er zu seinem alten Kumpel Mick Jagger, »diese hier nicht. Ich liebe sie.« Was, man kann es nicht anders sagen, sowohl Mick als auch Carla scheißegal ist. Innerhalb von Tagen beginnen sie eine Affäre, die schließlich auch zum Ende von Mick Jaggers Ehe mit Jerry Hall führt. Nur – was sagt uns das jetzt alles? Einerseits, dass Carla Bruni ein zwar undurchschaubarer, aber gänzlich unsentimentaler und freier Geist ist, wie es wirklich nur noch wenige gibt. Und andererseits, dass Nicolas Sarkozy noch viel größenwahnsinniger – oder unerschrockener – ist, als wir ohnehin schon dachten. Wahrscheinlich sogar beides zugleich.