Ein Mann blickt durch

Porträt ein mann blickt durch Matteo Gonet braucht sich gar nicht zu verstecken: Er erschafft großartige Kunst aus Glas.

Das Wort »Glasbläser« muss man dringend abstauben. Die Menschen, die diese Kunst ausüben - es sind fast nur Männer - sieht man oft auf Mittelaltermärkten. Manchmal besuchen sie auch eine Grundschule und führen da ihre Kunst vor. Die meisten tragen Leinenhemden, schwere Schürzen, Nickelbrillen, gern auch einen Pferdeschwanz.

Matteo Gonet entspricht nicht diesem Klischee. Gonet ist 36 Jahre alt, Sneakers, T-Shirt, Wuschelfrisur. Seine Glasgebilde sind nicht nostalgisch oder kitschig. Sondern klar, leicht und elegant. Gonet hat Teekannen für Hennessy entworfen und geformt, Lampen für ein Marseiller Museum, eine übergroße Glühlampe für das Büro eines Energieunternehmens. Zusammen mit dem Künstler Jean-Michel Othoniel hat er nun sein bisher größtes Werk vollendet: Die Wiederbelebung des Wassertheaters im Schloss Versailles. Seither kann sich Gonet
vor Aufträgen kaum retten.

Matteo Gonet ist in Lausanne und Lugano aufgewachsen, er war 15, als er nach Deutschland auf eine Glasfachschule ging. In der Schweiz hätte er die Ausbildung nicht machen können. »Außerdem wollte ich reisen, mir gefiel die Melancholie des alten Handwerks - und auch ein bisschen das Macho-Ambiente in der Werkstatt.« Als Geselle war Gonet fünf Jahre in Europa auf Wanderschaft. Anschließend studierte er Design in Amsterdam.

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Glas begleitet die Menschen seit 3500 Jahren. Es ist durchsichtig, also verbindet es;
es ist hart, also trennt es. Es versöhnt Drinnen mit Draußen, spielt mit Licht und Farbe. Die Fabrik von Matteo Gonet steht in Münchenstein, in der Nähe von Basel. Acht Mitarbeiter helfen ihm. Der gelb glühende Schmelzofen wummert ununterbrochen, das ganze Jahr über. Es würde zehn Tage dauern, den 1200 Grad heißen Apparat herunter und dann wieder hochzufahren. Im Ofen wird das Glas erhitzt. Dann tunkt Gonet ein Rohr, die sogenannte Pfeife, in das flüssige Glas. Wenige Sekunden bleiben ihm, um das Material jetzt zu bearbeiten - indem er das Glas aufbläst, in eine Negativform drückt oder mit Holzwerkzeugen bearbeitet. Dann kommt das Glas erneut in den Ofen, damit es wieder weich genug
wird für den nächsten Schritt.

An dem Auftrag für Versailles hat Gonet zwei Jahre gearbeitet. Dabei ging es um eine Neuinterpretation des mondänen Théatre d’Eau, das sich der Sonnenkönig Ludwig XIV. zu seinem Vergnügen bauen ließ. Als Inspiration diente ein vergilbtes Buch aus dem 17. Jahrhundert, in dem die Tanzschritte des Königs aufgezeichnet waren. Sie wurden zur Grundlage des Entwurfs. Auf dem Wasser sollte der König tanzen - in Form von vier Springbrunnenskulpturen, die leichtfüßig über dem Wasser schweben. Sie bestehen aus 2000 handgeblasenen, vergoldeten Glasperlen, die Metallrohre umschließen, sowie größeren Kugeln aus Sodaglas. Die Othoniel-Gonet-Arbeit ist das erste dauerhaft errichtete Werk in Versailles seit der Monarchie. Und so fragt sich Matteo Gonet: Wie wird das in 20, 30 Jahren aussehen? Wird es mit der Reinigung gut gehen? Und: Hält es? Denn die Glaskugeln müssen im Park von Versailles große Hitze und Stürme überstehen. So ist es eben: Wer mit Glas arbeitet, kreiert etwas Hartes und etwas Zerbrechliches zugleich.

Foto: Andreas Zimmermann