Freunde für die Ewigkeit

Es ist warm, es ist geschmeidig, es leistet dem Menschen seit Jahrtausenden gute Dienste: Kein Material begeistert uns wie Holz. Eine Liebeserklärung.

Vergessen Sie Kevlar, den neuen Superverbundstoff aus dem Labor. Holz ist ihm weit überlegen. Mit seiner raffinierten Struktur aus Zellstofffasern und organischen Polymeren ist Holz nicht nur ein guter Brennstoff, sondern auch perfektes Bau- und Gestaltungsmaterial. Und damit doppelt so nützlich wie Karbonfaser, Stahl oder Plastik. Und es ist überraschend anpassungsfähig: Der Architekt Mies van der Rohe meinte einmal, dass seine Wolkenkratzer mit einem Gerüst aus Eichenholz sicherer wären, weil sich Stahl bei einem Brand verbiegt, während Eichenholz schnell eine schützende Oberfläche aus Kohlenstoff bildet.

Das war natürlich nur halb ernst gemeint, denn eigentlich war Holz den alten Modernisten ein Gräuel. Sie forderten, man müsse sich die Natur untertan machen, und propagierten lieber makellose Industriematerialien. In einem gut designten Leben, so die Forderung, dürften natürliche Materialien keine Rolle spielen.

Eine Weile war ich selbst Opfer dieses Irrglaubens. Ich bildete mir zum Beispiel ein, das allein selig machende Regal sei das System 606 von Dieter Rams, das er 1960 für Vitsoe entworfen hatte – in grauem Industrielack und mit unerschütterlicher, geradliniger Strenge. Ich wollte, dass meine Wohnung wie eine Apotheke aus der Zeit des Kalten Krieges aussieht. Doch der Geschmack ändert sich. Jetzt hab ich meine Wohnung am liebsten wie eine Zigarrenkiste oder eine holzgetäfelte Kapitänskajüte. Mit einem gewissen Bedauern trennte ich mich von Rams’ System und ließ mir Massivholzregale nach Maß anfertigen. Ein Sandstrahler verlieh der Maserung eine delikate Oberflächenstruktur, die anschließend mit Klarlack versiegelt wurde. Der Anblick lässt mich vor Wohlgefühl schnurren.

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In jeder Epoche ist der bevorzugte Baustoff ein Sinnbild der herrschenden Glaubenssätze. Die Päpste und Prinzen der Renaissance liebten Marmor, weil dessen Pracht majestätisch wirkte. Die Modernisten mochten verchromte Edelstahlrohre, weil diese sie an die Maschinen erinnerten, die sie so liebten. Und heute entdeckt man aufs Neue die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten von Holz. Warum?

Holz ist nicht mehr nur ein harter, faseriger Pflanzenstoff, es verkörpert jetzt auch die vielfältigen Chancen unserer Zeit, in der die alten Grenzlinien zwischen Handwerk und Design immer stärker verschwimmen. Zu seinen bekannten praktischen und emotionalen Eigenschaften kommen wichtige ökologische Faktoren: Unser Planet lässt in einem Jahr zehn Milliarden Tonnen dieses erneuerbaren, CO²-neutralen Rohstoffs wachsen. Spotten Sie nicht über Gedankenspiele zu Flugzeugen oder Autos aus Holz: Die könnte es geben. Hat es sogar schon einmal gegeben. Die Mosquito des britischen Flugzeugherstellers de Havilland, ein zweisitziges Mehrzweckflugzeug, hatte einen Rahmen aus Holz und war der fortschrittlichste Jagdbomber ihrer Zeit. Die Sportwagen von Morgan hatten einen Holzunterbau. Wir könnten sogar das biotechnische Comeback des klassischen Holzbeins aus den Piratengeschichten erleben: In Experimenten wird orthopädisches Holz als Knochenersatz getestet.

Galt früher, wer »hölzern« war, als steif und plump, steht Holz heute für Flexibilität und Weitsichtigkeit. Seine Vielseitigkeit und sein hohes Maß an Sinn und Sinnlichkeit machen Holz zum ultimativen Material unserer Zeit.

Fotos: Mierswa und Kluska, Patrik Naumann / photocase.com