SZ-Magazin: Herr Bouroullec, woran arbeiten Sie beide gerade?
Ronan Bouroullec: Schwer zu sagen, weil es so vieles auf einmal ist. Da wären zum Beispiel Badezimmer-Armaturen. Dann entwerfen wir gerade ein Restaurant in Berlin und einen Laden in Paris, der nächsten Herbst aufmacht. Schließlich sind da unsere neuen Produkte für die Messe in Mailand, darüber hinaus ein Stuhl und eine Lampenkollektion, die aber wirklich noch komplett in den Kinderschuhen steckt. Sie sehen: Vom zarten Babyzustand bis zur nahen Vollendung ist alles dabei.
Und was steht im Zentrum?
Immer noch »Steelwood«, die Fortsetzung einer Möbelserie, die wir vor einigen Jahren begonnen haben. Damals kam Signor Perrazzo von der italienischen Firma Magis auf uns zu und sagte: »Wollen Sie nicht einen interessanten Stuhl aus Holz und Stahl für uns machen, etwas für jedermann, nicht zu teuer, was meinen Sie?« Ein Jahr später kamen wir mit zwei Entwürfen zu ihm zurück, diesem hier und einem anderen Projekt, das uns bis jetzt beschäftigt.
Was ist das Besondere an Steelwood?
Die Kombination zweier wundervoller Materialien: Stahl und Holz. Außerdem wollten wir dem Plastikstuhl endlich einmal eine ebenbürtige Konkurrenz entgegenstellen.
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Hier finden Sie weitere Arbeiten der Designer
Steelwood zitiert ja nicht nur Thonets gebogenen Stuhl, sondern auch die menschliche Anatomie. Der Stahl ist das Gelenk, das Holz die Knochen…
Die Natur selbst erfindet eben die unglaublichsten Formen, denken Sie nur an Korallen. Unsere Designsprache ist oft als sehr orthodox verstanden worden, weil wir Dekoration ablehnen, das Material nicht verstecken, sondern zeigen, wie es ist. Wir sind eben überzeugt davon, dass in dem Moment, da man der Logik der Funktion und des Materials folgt, automatisch und natürlich eine Sprache entsteht.
Meinen Sie damit auch die schlichten Namen Ihrer Produkte? Ein Tisch heißt »Tavola«, ein Sofa, aus dem man liegend entgleitet, »Glide«.
Wir geben sehr ungern Namen, weil wir Angst haben, den Blick des Betrachters vom Objekt abzulenken, ihm eine zweite, interpretatorische Realität aufzudrängen. Namen lügen oder addieren etwas hinzu, was gar nicht da ist. Und plötzlich sieht man nicht mehr das Sofa, sondern eine nackte Frau. Nur weil das Ding »Aphrodite« heißt.
Woraus schöpfen Sie am meisten Inspiration bei der Arbeit? Manche hören Musik, gehen in den Wald oder ans Meer – Sie beide stammen ja aus der Bretagne.
Ich mag zum Beispiel Maschinen, mit denen Material verarbeitet wird. Wenn ich Zeit habe, experimentiere ich einen ganzen Tag an der Nähmaschine mit Stoffen. Das ist meine Leidenschaft für das Mechanische. Und dann: das Beobachten von Menschen, das Sezieren ihrer Schönheit. Dafür gibt es kaum eine bessere Stadt als Paris. Wer sich in ein Straßencafé setzt und sieht, wie die Leute hier angezogen sind, bemerkt die Liebe und Sorgfalt in ihrer Kleidung. Man kann keinen bestimmten Stil feststellen, nur die Aufmerksamkeit, mit der sie sich zurechtmachen. Das ist vielfältig, teilweise bizarr und erinnert oft an die perfektionistischen Filme von Jacques Tati. Nicht zuletzt ist es aber immer wieder auch die Vergangenheit, deren genaue Kenntnis unser Werk erst ermöglicht. Design ist ein genealogischer Prozess. Man kann ja zum Beispiel beim Entwerfen eines Stuhls nicht plötzlich so tun, als habe es das Ehepaar Eames nie gegeben.
Ronan, 36, und Erwan Bouroullec, 31, zählen zu den erfolgreichsten Designer Frankreichs. Ihre Entwürfe für Hersteller wie Cappellini, Issey Miyake, Ligne Roset und Habitat wurden vielfach preisgekrönt.
Aktuelles Projekt: die Möbelkollektion Steelwood für Magis.