Manchmal wirkt es ja so, als gäbe es keine Status-Symbole mehr. Mein Auto, meine Villa, mein Pool - Leute von vorgestern geben mit so was an und blättern Bilder von Gegenständen auf den Tisch ihrer Existenz wie Memory-Karten. Aber wir modernen Menschen, pöh, wir haben das nicht nötig. Wir tauschen und sharen Mietwagen, Wohnraum und Vintage-Waren. Weil, wir sind mobil und flexibel und total virtuell und wollen uns überhaupt nicht mit so 'nem Kram belasten!
Denk ich auch oft. Und dass die Hoch-Zeit der Statussymbole definitiv passé ist, das waren die Achtziger. Da bin ich dummerweise in die Jugend gekommen und hatte Klassenkameraden, die sich für ihre Zimmer Plexiglas-Regale kauften, um darin ihre Boss-Pullis zur Schau zu stellen. Dieselben, die mit 18 ein Auto haben mussten, dann eine Banklehre machten und heute garantiert Villen mit Pool-Landschaften besitzen. Ich habe selbstverständlich keinen Kontakt zu diesen Leuten, mich damals umgehend abgewandt und einen auf Janis Joplin gemacht. Was mir eigentlich auch nicht entspricht. Identitäts-Findung ist halt keine geradlinige Angelegenheit.
Das beobachte ich auch gerade an meinem Großen, dreizehn ist er und hat sich die Tage gehäutet. Was da zum Vorschein kam, hat mich irritiert, das muss ich gestehen. Ich habe mich nicht autoritär aufgeführt und nur ein bisschen die Augen gerollt. Aber an meine Plexiglas-Kameraden musste ich denken. Und dass das mit dem Ende der Status-Symbole ein Schmarrn ist: Sie leben – und das tief drin nicht nur in meinem eigenen Kind: What a shock!
Mein Großer wollte Zimmer tauschen: Ich nehme dein kleines, hat er zu mir gesagt, du kriegst mein großes. Na gut, habe ich nach Monaten der Belagerung gesagt und gedacht: In dem Zusammenhang können wir ein bisschen ausmisten. Doch was dann kam, übertraf meine kühnsten Hoffnungen (und ich mag es eigentlich reduziert, die Frage ist eben nur: auf was?). Mit drei Tüten zog er in sein neues Zimmer. Den Rest brauche er nicht mehr. Der Rest, das war ein 20 Kubikmeter großer Haufen aus Spielzeug, Büchern, Sammelkarten, Legosteinen, Schleichtieren und Mensch-ärgere-dich-nichts. Na gut, dachte ich da noch, bin dabei. Der Junge muss sich befreien.
Doch nun, sein neues Zimmer. Die Matratze auf dem Boden, schon klar, Matratzen auf dem Boden sind offenbar ein Teil der pubertären Menschwerdung. Die Klamotten offen im Regal, mhm. Neben dem Bett auf einem ollen Brett: mein alter iMac. Sorry, ich muss jetzt hier die Marke nennen, geht nicht anders. Der iMac funktioniert gar nicht mehr. Sieht aber cool aus, sagt mein Großer. Dann hämmert er Nägel in die Wand. Für seine Caps. Sechs Stück sind es, von irgendwelchen total wichtigen Angeber-Firmen. Darunter, auf einer gläsernen Konsole (die ich mal von meinem ersten Gehalt erworben hatte): drei Paar Sneaker. Marken auch nicht ohne. Dann geht er schnurstraks zur anderen Wand und fängt da wieder an, Nägel rein zu hämmern. Ich so: Sag mal, wird das hier ein Fakir-Kabinett? Er: hämmert (trotzig, klar) schweigend weiter. Für die beiden Kopfhörer. Namen nenne ich nicht, finde sie aber auch megageil, muss ich gestehen.
Und vermutlich ist genau das der Grund, warum letztendlich doch ich selbst schuld daran bin. Und Galaxien entfernt von Janis Joplin. Schuld an der ultimativen Zurschaustellung des Statussymbols im neuen, jugendlichen Leben meines Kindes. An die dritte Wand kommen jetzt, sagt er, die iPhone-Kartons. Die habe er gesammelt, vom Dreier bis zum Sechser. Und dabei strahlt er mich glücklich an und ich denke: Oh Lord, Jesus!
Übrigens, kurz zuvor hatte er über das Smiley gegrinst, mit dem ich das monströse Symbol meines Smartphones überklebt hatte und gesagt: Ach, Mama, typisch!
Ich, geschmeichelt: Wieso typisch?
Er: Dass du auf so ein teures Gerät so ein billiges Ding drauf klebst, um damit zu zeigen: Is' mir wurscht.
Ich, stolz: Du bist so ein kluger Beobachter!
Er: Aber ein iPhone hast du doch.
So viel zur Passéhaftigkeit von Statussymbolen und unserem total lockeren Umgang mit Geld, Prestige und Wichtigtuerei, dem IStatussymbol.