Zwischen Stahltüren und Neonröhren

Die »Meisterzimmer« in Leipzig erinnern weniger an ein Hotel, als an einen Ort, wo im Krimi das Lösegeld übergeben wird. Gerade das macht aber ihren Charme aus.

Die zwölfjährige Tochter steigt missmutig aus dem Auto. Und hier sollen wir schlafen? Wo ist die Rezeption? Gibt es nicht. Nur ein Kästchen an der Graffito-übersäten Backsteinwand, wo man gegen Eingabe eines Codes seine Schlüssel bekommt. Zu den insgesamt vier separaten Zimmern geht es durch Stahltüren und schummrige Gänge, über Betontreppen, vorbei an frei liegenden Rohren, staubigen Neonröhren und einer Tischtennisplatte. Man könnte hier wunderbar eine Lösegeldübergabe für einen Krimi drehen, doch das ist eben der Charme umgenutzter Industriebauten wie der alten Leipziger Baumwollspinnerei. Die ist heute ein viel beachtetes Künstlerareal mit Galerien, Ateliers, Cafés – und eben den »Meisterzimmern«. Der Künstler Manfred Mülhaupt hat 2008 begonnen, sie einzurichten, mit Funktionsmöbeln, die er im Fundus der Spinnerei entdeckt hatte, aber auch mit Selbstgebautem und skurrilen Unikaten. Zunächst vermietete er an Freunde, mittlerweile kommen vor allem Architekten und Künstler. Für acht Euro am Tag kann man Fahrräder leihen (Schlüssel liegen im Zimmer), mit denen man binnen 15 Minuten im Zentrum ist. Auch eine Tour durch die umliegenden Stadtviertel Plagwitz und Lindenau mit ihren Arbeiterhäusern, Industrieruinen und wild wuchernden Ateliers lohnt sich. Hier nahm in den Neunzigerjahren die »Neue Leipziger Schule« Gestalt an.

Die Skepsis der Tochter war übrigens schnell verflogen – nach einer nächtlichen Tour durch den verwinkelten, menschenleeren Bau inklusive einer Runde Tischtennis.

Meisterzimmer 
Leipziger Baumwollspinnerei
Spinnereistraße 7, 04179 Leipzig
Tel. 0341/22 70 40 63
DZ ab 90 Euro

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