Plattenbau

Beim Schreiben muss es knistern, findet die Autorin Katja Eichinger. Welche Platten sie bei der Arbeit hört, überlegt sie sehr genau. Auf welchem Gerät, steht aber außer Diskussion. 


Wer:
Katja Eichinger, Journalistin und Autorin
Was: Schallplattenspieler von Sony, ca. 150 Euro
Warum: Stimmung machen

»Neben dem Sofa im Wohnzimmer steht mein alter Sony-Schallplattenspieler aus den 90ern. Ich hänge sehr an diesem Gerät. Der Plattenspieler sieht ganz simpel aus, um ehrlich zu sein sogar recht hässlich: grau und etwas abgenutzt, gebraucht eben. Wie er aussieht ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass er funktioniert. Und das tut er perfekt. Das einzig Moderne daran ist, dass man die Nadel nicht selbst abheben muss und der Tonarm sich von alleine zurückführt. Gerade habe ich John Coltrane ›Coltrane Plays The Blues‹ aufgelegt.

Vor etwa sechs Jahren habe ich fast ganz aufgehört, CDs zu hören. Bei CDs nerven mich schon die Plastikverpackungen. Sie fassen sich nicht schön an und gehen ständig kaputt. Ich höre sie nur noch, wenn ich das Album nicht auf Vinyl finden kann. An digitalen Musik-Downloads mag ich das ›Sofortige‹ nicht. Man drückt die Playtaste und sofort spielt völlig zusammenhangslos irgendein Song. Ich höre lieber das Album als Ganzes. Downloads sind für mich wie Wegwerf-Musik.

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Mit Vinyl dagegen zelebriert man das, was man hört. Ich mag das Ritual des Plattenauflegens. Diese Verzögerung der Lust ist Teil des Genusses. Der Vinyl-Sound klingt auch weniger steril. Besonders wenn man, wie ich, die Platten gerne mal verstauben lässt. Meine Plattensammlung besteht aus etwa 150 Alben. Es hieß ja lange, Schallplatten würden aussterben. Aber seit ein paar Jahren gibt es einen richtigen Vinyl-Boom. Analog ist eben das neue Bio.

Wenn ich schreibe, spielt Musik für mich eine sehr wichtige Rolle. Sprache ist Musik. Das war schon immer so. Als ich klein war und meine Großmutter und mein Vater sich auf Plattdeutsch unterhielten, war das wie Musik für mich. Ich habe kein Wort verstanden, sondern nur die Melodie gehört. Beim Schreiben muss vor allem der Rhythmus stimmen. Tonalität und Melodie ergeben sich meist daraus. Die Lautmalerei in Ovids ›Metamorphosen‹ hat damals im Lateinunterricht einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen.

Da es um das Finden der eigenen Melodie geht, kann ich beim Schreiben selbst keine Musik hören. Dafür schätze ich aber die Pausen umso mehr. Ich lege dann bewusst Platten auf, die zum Text passen oder mit denen ich eine bestimmte Stimmung in mir erzeugen kann. Musik ist ja auch Selbstmanipulation. Bei ›BE‹ habe ich viel Spiritualized gehört und Philip Glass, und ›Heroes‹ von David Bowie. Bei meinem ersten Roman ›Amerikanisches Solo‹ war es eine Mischung aus Jazz – die Hauptfigur ist Jazz-Musiker – Rachmaninow und Sisters of Mercy. Der existentielle Pomp von einem Song wie ›Heartland‹ passt perfekt zu dem Protagonisten, der in seiner Selbstgerechtigkeit vereinsamt. Der Titel meiner neuesten Anschaffung aus Amsterdam passt übrigens auch ganz gut zur Hauptfigur: ›Struggle for Pleasure‹ von Wim Mertens. Ich muss zum Glück nicht kämpfen – nur die Nadel aufsetzen.«