Er könnte ein lässiger Kerl sein.
Aber Nicolas Cage sitzt nicht da, um entspannt zu plaudern. Er macht seinen Job, und der sieht so aus: Superstar hat Film gedreht und muss laut Vertrag für Werbemaßnahmen zur Verfügung stehen. Was bedeutet, dass er auch nur genau dafür zur Verfügung steht. Um Werbliches zu sagen über den Film Das Vermächtnis des
geheimen Buches empfängt Cage in London im »Dorchester Hotel«, fünf Sterne, direkt am Hyde Park, in der größten Suite des Hauses.
Nachdem man sich an etwa zwölf fleißigen Angestellten, Promotern, Assistenten und Bodyguards vorbeigearbeitet hat, steht man vor ihm. Er hängt betont cool in einer viel zu großen Couch mit riesigen Kissen; um ihn goldene Bilderrahmen, ein Kamin, schwere Teppiche. Eigentlich gilt ja bei solchen Interviews fast immer die Regel: Je größer der Name, desto entspannter der Auftritt. Cage aber fixiert sein Gegenüber mit misstrauischem Blick. Er trägt einen teuren schwarzen Anzug, schmal geschnitten, ein weißes Hemd, dazu eine schmale schwarze Krawatte. Könnte nach Rock ’n’ Roll aussehen – aber bei ihm sitzt alles das entscheidende bisschen zu steif, zu sorgfältig hin-drapiert. An der rechten Hand trägt er einen goldenen Totenkopfring; es wäre kaum übertrieben, ihn golfballgroß zu nennen. Am linken Handgelenk eine Uhr, goldblitzend, zwei Zentimeter dick – die würde nicht mal bei Gunter Sachs als geschmackvoll durchgehen. Die dünnen Haare sind mit tonnenweise Spray hinbetoniert. Cage passt dann auch während des ganzen Gesprächs auf, dass er sich nie zu hektisch bewegt, das würde die Frisur zerstören. Und so wie mit seiner Frisur geht er im Grunde mit seinem ganzen Auftritt um. Er achtet sorgfältig darauf, dass er keine Bewegung macht, kein Wort sagt, nichts tut, was irgendwie den Eindruck stören könnte: Ich, der hoch bezahlte und dennoch sehr seriöse Filmstar, reflektiere hier meine Arbeit.
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Nicolas Cage sieht einen streng an, macht mit den Augenbrauen eine tiefe Falte über der Nasenwurzel – so schaut er seit Jahren auf jedem Foto. Er nimmt sich sehr ernst. Und reagiert völlig humorlos, wenn man ihn etwas fragt, was ihm zu leicht vorkommt. Nur ein Beispiel: Den Künstlernamen Cage hat er sich einst gegeben, weil eine Comicfigur so heißt. Aber wenn man ihn darauf anspricht, kommt
sofort die Stirnfalte: Ach, wissen Sie, Comics, das ist lange her, ich bin ein erwachsener Mann, damit hab ich nichts mehr zu tun… Einer seiner letzten Filme war übrigens Ghost Rider. Eine Comicverfilmung. Und der neue jetzt, Das Vermächtnis des geheimen Buches, ist ein Walt-Disney-Film für die ganze Familie.
Cage verdient Millionen, er könnte sich vom Zimmerservice ein Bier bringen lassen und amüsiert vor sich hin grinsen. Aber aus Gründen, die keiner kennt, übertreibt er immer. Wie in seinen Filmen: Wenn er Wut spielen soll, rollt er mit den Augen wie eine Zeichentrickfigur. Wenn er lässig spielen soll, fällt er fast aus den Schuhen beim Gehen. In frühen Filmen wie Birdy oder Arizona Junior war er gut, später entdeckte er das große Geld und die großen Gesten. Face/Off. The Rock. Con Air: ständig eins zu laut, zu uncool, zu übertrieben.
Ob er dann doch noch irgendwas von Interesse gesagt hat? Leider nicht. Nur Standardsätze, die auch in den Promotion-Unterlagen zum Film stehen.
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