Sie waren gerade um die Südspitze Manhattans getuckert, als ein Polizeiboot auf sie zugerast kam. Was sie hier machen würden mit ihren merkwürdigen Flößen, wollten die Beamten wissen, eine besorgte Bürgerin hätte sie telefonisch alarmiert: Da trieben Piraten auf dem Wasser vor New York.
Die Swimming Cities sind ein Kunstprojekt, das die Fantasie der Betrachter anregt: Filme wie Fluch der Karibik fallen einem ein (leider auch Waterworld, der komplett misslungene Endzeitfilm mit Kevin Costner), aber man denkt auch an Aussteigerkommunen, Hippie-Wohnwagen, vielleicht an die überladenen Boote afrikanischer Flüchtlinge, zumindest in Europa. Viele Journalisten haben Konsumkritik in die Flöße hinein- oder aus ihnen herausgelesen, weil sie aus Sperrholz und anderen Dingen, die Menschen wegwerfen, zusammengenagelt sind – angetrieben werden sie von alten Automotoren. Doch zuallererst sollen die Swimming Cities ein Abenteuer sein: für die Leute auf den Flößen und für die am Ufer.
»Die meisten Menschen, die wir getroffenen haben, meinten: Super, so etwas wollte ich auch schon immer mal machen«, erzählt Tod Seelie. Der Fotograf ist seit der ersten Reise mit dabei. Im Sommer 2006 war das, auf dem Mississippi: ein Dutzend Freunde auf zwei Flößen. Abends hielten sie an kleineren Städten, spielten Musik, machten Performances - ein Wanderzirkus von New Yorker Lebenskünstlern. 2008 dann folgte die Tour dem Hudson River bis nach New York. Die Polizisten, die von der besorgten Frau gerufen worden waren, ließen sie nach kurzem Stopp und kleiner Diskussion übrigens weiterfahren. 2009 fand die bisher aufwändigste Reise statt, sie hat die Swimming Cities in der Kunstwelt endgültig bekannt gemacht: Da fuhr die Crew mit ihren Flößen von Slowenien die Adriaküste westwärts bis nach Venedig, wo gerade die Biennale stattfand. Die Swimming Cities erreichten die Stadt, die ins Wasser gebaut ist und von der das Kunstprojekt Jahre zuvor inspiriert worden war.
Die Street-Art-Künstlerin Swoon, von der die Idee der Swimming Cities stammt, war nach einer Reise so begeistert von Venedig, dass sie ihre Flöße gestalten wollte wie die Stadt. Die Tour zur Biennale nach Venedig finanzierten sie und ihre Galerie zu großen Teilen: Ein Containerschiff brachte die Flöße von New York nach Europa. Dann der Höhepunkt der Reise: der Abend, an dem sie durch den Canal Grande fuhren, der Venedig wie ein »S« durchschneidet. Aufnahmen davon sind in Empire Me zu sehen, einem Dokumentarfilm über alternative Gesellschaftsmodelle wie die autonome Kommune Christiania in Kopenhagen oder eben die Swimming Cities. Nach Venedig hat sich die Künstlerin Swoon von ihrem Projekt verabschiedet, die Swimming Cities fah-ren aber dennoch weiter. Erst im vergangenen Herbst gab es ein Reise auf dem Ganges in Indien – mit neuen Flößen, von anderen Leuten. In diesem Sommer wollen Freunde von Swoon und dem Fotografen Tod Seelie den Ohio im Herzen der USA hinunterfahren.
Fotos: Tod Seelie