Was Flavio Briatore angeht, den Fußballklubbesitzer, Rennstallmanager und Exfreund vieler Frauen, so hat man das Gefühl, es gebe ihn nicht wirklich, er sei nur eine Art freigelassener Comicfigur, eine Gestalt außerhalb unserer Realität, nur damit beschäftigt, Sonnenbrillen zu tragen, auf weichen Polstern hinter Drinks zu sitzen, seine Arme um junge Modelle zu legen. Wie man ja überhaupt, sobald man an einem italienischen Strand eine italienische Illustrierte aufschlägt, das Gefühl hat, es gebe irgendwo eine zweite, von grellem Licht erfüllte Welt, deren ausschließlicher Zweck es sei, sich für italienische Illustrierte abbilden zu lassen. Eine Welt voller Menschen, die nur leben, damit es italienische Illustrierte geben kann. Und warum gibt es italienische Illustrierte?
Das weiß ich auch nicht. Jedenfalls passierte kürzlich in Sardinien Folgendes: Einem Strand, voll mit Italienern, näherte sich von See her oder aus einer virtuellen Realität kommend oder aus dem Nichts Herr Briatore in Begleitung einer größeren Zahl von Geschöpfen seiner Art. Man befand sich in motorisierten Booten, die zwischen Badenden ihren Weg zum Strand suchten, an dem Briatore ein ihm gehörendes Restaurant zu eröffnen gedachte. Was geschah? Die Menschen erhoben sich. Sie, von denen nicht wenige eben noch in italienischen Illustrierten geblättert und sich über Aktivitäten Briatores und der Seinen hatten orientieren lassen, warfen mit Sand, schütteten Wasser aus Kindereimern auf die Anlandenden und riefen: »Schande! Lümmel! Geht heim!«
Aber wo ist »heim« für sie? Draußen auf dem Meer? Oder in einer anderen, uns nicht zugänglichen Dimension? La Stampa schrieb: »Die Rebellion gegen jene, die mit ihrem Geld und ihrer Macht prahlen, wächst.« Schön wär’s ja. Wahrscheinlicher ist, dass die Leute Fantasie und Wirklichkeit getrennt halten wollen. Wenn ich nachts im Bett einen Mankell-Schocker lese, möchte ich auch nicht, dass der Serienkiller zur Tür hereinkommt, weil er hier angeblich beruflich was zu erledigen hat.
Mauro Cutrufo, stellvertretender römischer Bürgermeister, will außerhalb Roms ein Disneyland der Antike errichten, mit einem Kolosseum, in dem Gladiatoren kämpfen. Dem Plan ist heftig widersprochen worden; er sei so kulturlos und geschichtsvergessen wie die ganze, Italien regierende Berlusconi-Bande. Recht so. Aber wäre es nicht eine schöne Vorstellung, die Attraktionen Roms in Ruhe besichtigen zu können, während Touristenmassen draußen vor den Toren kunstblutbedeckte antike Kämpfer betrachten? Könnte man nicht überhaupt alle Sehenswürdigkeiten Europas nachbauen und an einem Ort zusammenfassen, in Vorpommern oder Zentralspanien? Eine eigene Touristenwelt schaffen, so wie es eine eigene Briatorewelt gibt? Es würde auch Europabesuchern aus Asien oder Amerika viel Zeit sparen.
Diese Woche großes Thema: neue Verbote in italienischen Urlaubs-orten. Rauchen am Strand von Oristano kostet nun 360 Euro Strafe, Pilzesammeln in Südtirol 113 Euro. Schwammerlsuchen ist allerdings an allen Stränden weiterhin kostenfrei. Als Ergänzung hier zwei Leserbriefe, ältere italienische Vorschriften für Deutsche betreffend – und die wunderbare Kunstwelt der deutschen Sprache im Ausland.
Herr G. schickte mir »Anweisungen für die Kunden beim Brand« aus seinem Hotel, von besonderem Interesse Punkt zwei der Regel Wann man den Portier benachrichtigen muss: »Sobald man verbrannt riecht«. Und Leserin M. grüßt vom Eingang der Katakomben in Rom, wo es auf einem Schild heißt: »Per favore attendere la chiamata. Please wait until you are called by loudspeaker. Bitte warten, die deutsche Sprache wird aufgerufen.«
Falls Sie über Österreich nach Italien reisen, probieren Sie den Tipp von Leserin L., die in Altach/Vorarlberg an der Agip-Station das Angebot eines »Frauenwaschtages« entdeckte: »Christallglanz-Komplettpflege Hochdruckvorwäsche-Aktivschaum Unterbodenwäsche Waschen Hochglanzpolitur-Trocknen« für nur zwölf Euro.
Illustration: Dirk Schmidt