Neulich las ich, der Rasenmäher sei von Edward Budding erfunden worden, 1830, ein Jahr nach der Entwicklung der Blindenschrift Braille, die zur Folge hatte, dass auch Fußball-Schiedsrichter endlich die Regeln ihres Spiels selbst lesen konnten. Man stelle sich vor, dachte ich, Edward Budding wäre diese Erfindung nicht gelungen, er hätte sein Leben lang vergeblich getüftelt und wäre am Ende verzweifelt vor einem Haufen unzusammenhängenden, sinnlosen Metalls gestorben, gescheitert, irre, auf den Lippen seine letzten Worte: Mäh, bitte, mäh!
Was wäre dann mit dem Fußball? Gäbe es ihn? Wäre das Spiel, wie wir es kennen, vorzustellen auf Asche- oder Asphaltplätzen oder auf gesensten Wiesen voll langer, pikender Halme? Auch der Kunstrasen ist ja nur denkbar, weil er ein natürliches Vorbild hat, den sorgsam gemähten, kurzhalmigen, das schnelle Pass-Spiel fördernden Naturrasen. Man muss also sagen, dass all das Schöne, das unser Leben Woche für Woche bereichert, unser karges Gefühlsleben vitalisiert und Nationen vereint, ohne Budding nicht möglich wäre. Dafür wird sein Name, finde ich, in der Öffentlichkeit zu selten genannt! Wie überhaupt viele weithin unbekannten Menschen uns den Fußball, wie wir ihn kennen, Woche für Woche ermöglichen. Die Schöpfer des Fanschals, der Zeitlupe, des nummerierten Stadionsitzes sind hier zu nennen, auch Uli Hoeneß, der immer nur als Vater der Grillwurst genannt wird, nie aber als Erfinder undm bester Träger des kugelroten, karmesinrunden Fußballfreundeschädels.
Wer aber erfand den Fußball selbst? Ich weiß keine Antwort. Ich vermute, dass sich eines Tages vor unvordenklicher Zeit ein Spalt zwischen tief hängenden Sommerwolken öffnete, ein Ball herausfiel und auf der Erde herumhüpfte, bis ein Mann ihn in die Hände nahm. Worauf ein schriller Pfiff von ganz oben ertönte und ein Chor erregter Stimmen aus dem Wolkenhimmel rief: »Hand!«
Und es gab Freistoß.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie dieselbe Kolumne in einer Welt ohne Fußball enden würde.
Neulich las ich, der Rasenmäher sei von Edward Budding erfunden worden, 1830, sieben Jahre nach der Entdeckung des wasserundurchlässigen Regenmantels durch Charles Mackintosh, der es uns ermöglicht, auch im deutschen Frühling, Sommer und Herbst trocken an unsere Arbeitsplätze zu gelangen. Man stelle sich vor, dachte ich, Edward Budding wäre damals gescheitert, er hätte jahrelang geschmiedet, gehämmert, geklopft, geschraubt, aber am Ende hätte er nur einen Haufen Metallschrott über eine Wiese geschoben, ohne einen einzigen Halm zu kürzen! Was wäre dann mit unseren Schwimmbädern? Den großen Rasenflächen, welche die Becken umgeben und auf denen wir lagern, den Frauen hinterherblicken, mit den Kindern Fangen spielen? Natürlich kann man auch in ungeschnittenen Wiesen liegen, aber es ist etwas anderes, die Halme liegen hinterher platt auf der Erde, man kommt sich vor wie ein Vandale, nein, das Geschorene ist großartig und nützlich, eine der Errungenschaften der Zivilisation, wichtiger Beitrag Englands.
Doch manchmal, wenn ich dort liege, denke ich, es fehlt etwas. Ich sehe den Kindern zu, wie sie ihre Kunststoffwürfel hin- und herschießen, betrachte das Holpern der Sechsecke auf dem Rasen und grübele über die länglich-zylindrischen Plastikrollen, gegen die ganze Mannschaften treten, bis eine Rolle in einem der provisorisch aufgebauten Tore gelandet ist. Ich sehe die Männer, die eifrig kinderkopfgroße Oktaeder über ein Netz werfen. Und die Frauen, die sich im Wasser Fünfecke aus Holz zuwerfen.
Ich liege im Gras und schaue hinauf zur Sonne, die groß und rund am Himmel steht, und denke an den Mond, der später rund und prall erscheinen wird, und werde das Gefühl nicht los: Etwas fehlt uns hier, etwas ist nicht erfunden worden, etwas hat man uns vorenthalten – aber was, aber was?
Illustration: Dirk Schmidt