Die Welt zerfällt in solche Wesen und Gegenstände, die Geräusche machen, und andere Wesen und Gegenstände, die keine Geräusche produzieren. Die Kuh macht muh, der Schmetterling schweigt. Peer Steinbrück redet, gegen Geld und auch gratis, der Teppich nimmt still unsere Tritte hin. So ist das. Ist es wirklich so?
Zum Beispiel dachte ich immer, Fische seien stumm, erfuhr aber nun von Forschungen, die den Lusitanischen Krötenfisch betreffen, welcher einen halben Meter lang wird und im Mittelmeer lebt, auch im Atlantik sowie in einigen Exemplaren am Fritz-Grünbaum-Platz 1 in Wien. Dort befindet sich das Haus des Meeres mit seinem Aquarium.
Vom Lusitanischen Krötenfisch weiß man, dass er krötenähnlich klingende Balzlaute hervorzubringen in der Lage ist, auch kann er eine Art Klopfgeräusch erzeugen, mit dem er missliebige Artgenossen vertreibt. Doch nicht nur dies: Der Krötenfisch weiß, wann er zu schweigen hat. Dies entnahm ich dem britischen Fachblatt Proceedings of the Royal Society B, in dem über Experimente von Fischforschern an den Wiener Tieren berichtet wurde.
Die Wissenschaftler schlossen Krötenfische an eine Art EEG an und spielten ihnen Geräusche vor, wie sie der Große Tümmler erzeugt, eine Delfinart, die für ihren Krötenfischappetit bekannt ist. Hörten die Fische den Tümmlerton, wurden sie fein still. Also: Fische erzeugen nicht nur Geräusche, sie reagieren auch auf solche.
Nun zum Piranha. Hier ist von Experimenten an portugiesischen und belgischen Instituten zu erzählen, denen zufolge Rote Piranhas, auch als Natterers Sägesalmler bekannt, kläffen und grunzen können, ja, sie geben trommelartige Klänge von sich, wenn sie mit anderen Piranhas streiten, krächzen, wenn sie Artgenossen jagen, und knirschen hörbar mit den Zähnen, wenn die ihre Warnrufe ignorieren.
Wir lernen: Wenn wir nichts hören, heißt das nicht, dass es keine Geräusche gibt. Und wenn wir etwas hören, bedeutet dies keinesfalls, dass dies alles ist. Ein Team der University of Texas hat Braunmäuse in den Bergen Costa Ricas untersucht: Die Texaner entdeckten, dass diese Mäuse sich über weite Distanzen durch vogelähnliches Zwitschern und sehr komplexe Gesänge verständigen. Auch las ich von Studien am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen, die in einem Kuhstall in Marburg entstanden. Dort hat man festgestellt, dass Stubenfliegen normalerweise nur schwer von feindlich gesinnten Fransenfledermäusen geortet werden können. Kommt es aber zum Geschlechtsverkehr zwischen Fliegen, erregt sich das Männchen so sehr, dass es ungewöhnlich heftig mit den Flügeln schlägt. Dies wiederum nimmt die Fransenfledermaus wahr und kann so nicht selten mit einem Haps gleich zwei Fliegen vernaschen. Fliegensex hat dann nicht die Vermehrung der Art zum Ergebnis, sondern im Gegenteil deren Dezimierung.
Bruno, mein alter Freund, hat eine Tochter in jenem Alter, in dem Kinder gern das Wie-macht-dieses-Tier?-Spiel spielen. Anfangs ging es darum, die Tiere des Bauernhofs akustisch zu deuten, von Muh bis Mäh, Gack bis Quak. Doch nun will das Kind plötzlich wissen: Wie macht ein Krokodil?
Tja. Rülpst es nach dem Verzehr einer Antilope? Knirscht es mit den Zähnen? Schluchzt es unter Krokodilstränen?
Bruno, ratlos, behalf sich mit einem »Tüdeldüü«, sodass es nun ein deutsches Kind gibt, das im Glauben aufwächst, Krokodile pfiffen ein harmloses »Tüdeldüü«, wenn sie im Wasser liegen, was auch immer dies bedeuten mag. In Wahrheit fauchen Krokodile in Gefahr, sie brüllen bei der Balz, sie fiepen, wenn sie schlüpfen und fühlen sie sich bedroht, machen sie eine Art Furzgeräusch – wirklich wahr, gehen Sie an den Computer und hören Sie es sich an.
Und, pssst, hören Sie nicht das Ächzen des Sofas, wenn Sie sich darauf fallen lassen? Das Seufzen der Gardine im Wind? Das Gähnen der Kaffeetasse am frühen Morgen?
Illustration: Dirk Schmidt