Das Beste aus meinem Leben

Hier spricht der Gärtner (III): Meinen Garten hatte ich mir immer als Ort der Ruhe vorgestellt, also kaufte ich eine schöne Bank, auf der ich sitzen wollte, um auf meine Rosen, die Clematis, den Phlox und all die anderen Gesellen zu blicken und abends über sie hinweg auf die Wiesen, die Kapelle oben am Hang, die Kühe und natürlich auf meinen fernen Freund, den Sonnenuntergang.Was ich nicht gewusst hatte, das war: Ein Garten ist nie fertig, immer bedarf er des Umbaus, der Umpflanzung, der Verbesserung und Perfektionierung. Das ist ja nun etwas, das Paola liebt, stets und ständig möchte sie die Welt um sich herum verändern, wäh-rend ich sie am liebsten ließe, wie sie ist – aber das geht, wie gesagt, in einem Garten nicht und schon gar nicht in einem Garten, auf den Paola Einfluss hat.Bei uns sind die Aufgaben so verteilt: Paola ist die Gartenarchitektin, ich bin ihr Gärtner. Paola befiehlt, ich folge. Paola sagt, wo der Rittersporn stehen wird, ich stelle ihn dorthin. Jeder nach seinen Fähigkeiten. Wäre Paola nicht, der Garten wäre nur halb so schön. Wäre ich nicht, müsste ein anderer die Arbeit machen. Zum ersten Mal in meinem Leben erfahre ich, dass in mir eine Knechtsnatur steckt. Aber abends, wenigstens abends im Sommer, würde ich doch gern auf der Bank sitzen und denken, nun ist alles für immer und ewig, wie es ist. Ich würde gern die Kühe das Gras kauen hören und dem Mops der Nachbarin lauschen, wie er schwer atmend meine Rabatten inspiziert, ich möchte ein Weißbier trinken, die Zeit ein bisschen anhalten und zur Kapelle hinaufschauen…Oberhalb unseres Gartens steht nämlich eine Kapelle, die ist sehr alt, und vor langer Zeit hat mal der Blitz dort eingeschlagen, aber er hat die Jungfrau auf dem Altarbild verschont, nur links und rechts sieht man noch den schwarzen Schmauch, den seine Hitze hinterließ. Und neben der Kapelle steht eine Eiche, die wurde zur Erinnerung an den 70. Geburtstag des Prinzregenten 1891 gepflanzt. Ich kenne einen alten Mann ganz in der Nähe, ein Bauer, der hier Luitpolds ältestem Sohn, Ludwig III., als kleines Kind die Hand geben durfte, er habe vor ihm gestanden und seine kleine Bubenhand hochgereicht, und der König habe sie gedrückt, und dann habe er hinauf- geschaut zum König…»Und dann?«, habe ich gefragt.»Dann hat er gwoant.« Er habe da ja schon gewusst, dass es zu Ende gehe mit dem Königsein.An solche Sachen denke ich, da biegt Paola, meine Frau, um die Ecke, sie setzt sich neben mich, ergreift meine Hand, hält in der anderen ein Weinglas, stumm betrachten wir nun den Untergang der Sonne, lauschen dem Malmen der Kühe und dem schweren Atem des Mopses, spüren den Windhauch auf den Wangen, den der Flügelschlag eines Schmetterlings erzeugt, sehen eine späte Biene in eine Rosenblüte abtauchen – und gerade senkt sich meine Hand ins Räderwerk der Zeit, um den Moment ein wenig aufzuhalten, da höre ich die Stimme meiner geliebten Frau: »Du, den weißen Phlox sollten wir nach hinten zum Rittersporn versetzen, und hier vorn wäre dann so eine orangefarbene englische Rose schön – was meinst du?«