Das Beste aus meinem Leben

Der Sprach-Wertstoffhof (VIII): Im Internet stieß ich kürzlich per Zufall auf die Seite funfire.de. Dort werden allerhand mehr oder weniger lustige Fotos aus allen Lebensbereichen veröffentlicht, eines fand ich richtig gut, das war das Bild eines handgeschriebenen Zettels über einer Klingelanlage. Da stand: »Sprechanlager füngziniert Wieder Dacher Bitten wir Sie das sie die tür Schlissen mit Freundliche Grüßen wir Bitten für um ihren verstednis.«Am schönsten daran fand ich die Wörter »Sprechanlager« und »füngziniert«. Ersteres weil es sich ja beim Sprach-Wertstoffhof zweifellos um eine Art Sprechanlager handelt, weil hier Sprache bzw. Spreche gelagert bzw. angelagert wird. Und das Zweite: »Füngzinieren« ist das Wort, das einem einfällt, wenn man die vielen in unglaublichste Varianten des Deutschen übertragenen Gebrauchsanweisungen liest, von denen mir Frau A. aus Pullach eine schickte, die das Dreirad ihres kleinen Sohnes betrifft. Der ersten beiden Arbeitsschritte lauten: »Aufreihen ›Webstuhl 1‹ mit ›Webstuhl 2‹. Das Detail einstecken –F- zwischen die zwei Webstühle. Die Weinrebe einstecken –D- ins besondere –C- und ihn dem ›Webstuhl 1‹. Die Weinrebe schließen –D-, drückend, mit es bricht den Würfel auf –A-. Die Webstühle befestigen, mit auch den Weinreben –E- und die Scheiben –B-.«Das kann nicht funktionieren. Aber füngziniert sicher.Hier im Sprechanlager haben wir viele solcher Texte, die in seltsamem Knitterdeutsch verfasst sind, wobei ich vom Knittern eines Textes erst reden kann, seit Herr L. aus München das entsprechende Wort zur Verfügung stellte. L. schreibt, er arbeite zusammen mit einem polnischen Kollegen am Test einer Übersetzungssoftware, leider nicht mit ermutigenden Ergebnissen. Die Software füngziniert, funktioniert aber nicht. Folgende Mitteilung kam bei L. an: »Grüßen Sie Juergen Polieren Sie zu translationing mit Roboter Text: Leider knittert welcher Text nachgeschickt, ist ganz unverständlich.«Text aus Maschine knittert, Mensch muss bügeln.Apropos bügeln. Ein sehr schönes Wort sandte Frau C. aus Köln: »Das kleine Bügelbrett, sog. Ärmelbrett, hieß für mich als Kleinkind ganz klar ›Ärmobrett‹ – ich war der Überzeugung, ein genialer Herr Ärmo (vermutlich aus dem finnischugrischen Sprachraum) habe es erfunden.«Ärmobrett – das ist so schön wie »plüdern«, ein Wort, das Frau H. mir in einer Mail zuschickte, obwohl sie es »fast zu schade für den Wertstoffhof« finde. Sie selbst hat den Begriff von ihrer kleinen Tochter, die eines Abends mit ihrer Freundin im Bett lag, beider Köpfe waren auf große Kissen gebettet, ein Idyll, »wenn nicht meine Tochter das Kissen der Freundin hätte haben wollen« – warum? Es sei so plüdern, sagte die Tochter, und in der Tat, es war anders als das andere, schreibt Frau H. »Weicher? Bauschiger? Pludriger? Nein, einfach plüderner.«Aber noch mal zu den Knittertexten, die uns heutzutage ständig ins Haus wehen, oft ungepflegtes, ungewaschenes Schauderdeutsch, wie es jene Internetverbrecher zu sprechen scheinen, die einem E-Mails ins Haus schicken, die vorgeblich von der Hausbank kommen, aber nur dazu dienen sollen, unsere Konten leer zu machen. Herr M. und Herr D., beide aus München, wiesen mich gleichzeitig auf eine Nachricht hin, in der zunächst folgende Mitteilung gemacht wurde: »Wenn Ihr Konto in jeder nicht bevollmächtigten Tätigkeit, wie Schlagseite habende Einzelheiten oder stellende Gebote verwendet wurde, ist diese Tätigkeit ohne Vor-fall gestrichen worden.« Aha. Und nun Folgendes: »Um Kontrolle Ihres Kontos wiederzugewinnen, klicken Sie bitte auf das Ver-bindungsgebrüll.«Verbindungsgebrüll. Herr M. meint dazu, es könnte sein, dass die Verbrecher sich des Sprach-Wertstoffhofes insofern bedienten, als dieser eine gewisse Neugier auf Wörter erzeuge – und so den Leser so gierig auf die Bedeutung von »Verbindungsgebrüll« mache, dass er einfach anklicken müsse. Und schon …Ich möchte deshalb darauf hinweisen, dass »Verbindungsgebrüll« unrechtmäßig aus dem Wertstoffhof entwendet wurde und nichts anderes bezeichnet als das unkontrollierte, verzweifelte, Mauern durchdringende Schreien eines Mannes, der zu viele Verbindungen hat, der davon überfordert ist, dass Handy und Festnetztelefon gleichzeitig klingeln, während sein Fax rattert, seine Kinder schreien, seine Frau ruft, sein E-Mail-Eingangskorb überquillt. Es ist der Schrei eines Menschen, der aussieht wie die Figur auf Edvard Munchs Bild Der Schrei.So einen klickt man nicht an.

Illustration: Dirk Schmidt