Interessant ist auch die Frage, warum Mumps Ziegenpeter genannt wird und der Ziegenpeter Mumps. Was den Mumps angeht, so geht er auf das englische Wort mump zurück, Grimasse, und spielt auf das verzerrte Gesicht des Erkrankten an. Aber Ziegenpeter? Dachte man ursprünglich an einen Kobold, den Ziegenpeter, der die Krankheit verursachte? Gibt es eine ähnliche Erkrankung bei Ziegen? Und was bedeutet »Peter«, der im Deutschen auch einen ungeschickten und doofen Menschen (Schwarzer Peter, Miesepeter) bezeichnen kann? Den Tölpel? Ein Spottwort also, das Aussehen des Mumpskranken betreffend?
Die Sache ist nicht schön für alle Peters. Sie werden gerne hören, dass sich die Weltgesundheitsorganisation WHO in einer Richtlinie für neue, nicht diskriminierende Bezeichnungen von Krankheiten einsetzt. Denn natürlich ist es ungerecht, dass die Schweinegrippe so heißt, obwohl kein Schwein je einen Menschen angesteckt hat. Und es ist nicht richtig, die Legionärskrankheit so zu nennen, bloß weil sie erstmals 1976 bei einem Veteranentreffen der Amerikanischen Legion in Philadelphia auftrat: Bakterien waren die Ursache, nicht Legionäre, und sie können jeden infizieren, nicht bloß Veteranen. Auch könnte die Stadt Marburg Klage führen, dass man das Marburgvirus nach ihr benannt hat, es stammt aus Zentralafrika, wurde nach Marburg eingeschleppt und dort identifiziert. Schließlich: Was kann der Fluss Ebola dafür, dass man in seiner Nähe ein Fieber diagnostizierte, das nun kurz und schmerzhaft »Ebola« heißt?
Das Leben ist ungerecht, die Sprache auch, die lebendige Sprache am meisten. Im übrigen kann man sich auf den Standpunkt stellen: Herr Doktor, mir ist egal, wie sie meine Krankheit nennen, Hauptsache, sie ist heilbar. Das Problem bleibt aber: Wie sollen Krankheiten heißen? Soll man es wie bei Wirbelstürmen machen: abwechselnd männlich/weiblich? Aber ein Wirbelsturm ist bald vorbei, die Krankheit bleibt, außerdem sind wir da wieder beim Peter-Problem. Was dann? Nummern? Das Marburgfieber möchte man WHOseits »Filovirus-assoziiertes hämorrhagisches Fieber 1« nennen, Ebola wäre »Filovirus-assoziiertes hämorrhagisches Fieber 2«. Ein Dankeschön der Bild-Schlagzeilendichter ist der WHO gewiss!
Die Sache erinnert an die Bemühungen um eine geschlechtsneutrale Sprache, in der das Wort »Anwohner«, da männlich, zu vermeiden und durch »alle, die in dieser Straße wohnen« zu ersetzen ist, und Studenten »Student*innen«, »StudentInnen« oder »Student_innen« sind. Was einerseits ganz toll ist, weil es zeigt, wie viel Macht die Menschen ihrer Sprache zurechnen. Wie wichtig sie ihnen ist!
Andererseits führt es eben zu dem seltsamen Zurechtweisungswesen, mit dem es die zu tun bekommen, die sich nicht so ohne weiteres den Sprachgenderbehörden unterordnen wollen, auch zu einer leblosen, mündlich gar nicht mehr zu nutzenden, bisweilen nicht mehr sprechbaren Sprache. Die Namen, die man Krankheiten gab, waren immer bildhaft, sie erzählten eine Geschichte. Nachdem die Syphilis 1495 zum ersten Mal in Europa aufgetreten war und sich epidemisch verbreitet hatte, hieß sie in Italien Französische Krankheit, in Frankreich Italienische Krankheit, in Polen Deutsche Krankheit, in Schottland Englische Krankheit, schließlich in Japan Chinesisches Himmelsstrafengeschwür – nicht schwer, in diesen Namen die eine oder andere nationale Abneigung zu erkennen.
Das hat sich von selbst erledigt, die Syphilis heißt bloß noch Syphilis, nach Girolamo Fracastoro, dem Dichter und Arzt, der entdeckte, dass man sich Krankheiten nicht, wie vermutet, durch giftige Erdausdünstungen holen kann, wohl aber durch Keime – und der das wunderbarerweise in einem Gedicht berichtete, in dem der Schäfer Syphilus sich vom Gott Apollo abwendet und zur Strafe infiziert wird.
»Syphilus«, den Namen hatte sich Fracastoro ausgedacht, und seither ist niemand sonst mehr je so genannt worden.
Illustration: Dirk Schmidt