Darf man jemanden einfach googeln?

Als er den Namen einer poteziellen Begleiterin bei einer Fahrradtour erfuhr, informierte sich ein Leser vorab online über sie. Die Dame fand das übergriffig und sagte die Tour ab – zu Recht?

»Auf der Website eines Radfahrerclubs kann man Mitradler für Touren suchen. Als ich mit einer Dame eine Tour vereinbaren wollte, sagte ich ihr, dass ich ihren Namen schon gegoogelt habe. Darauf meinte sie empört, ich sei › übergriffig ‹ geworden, und sagte ab. Hat die Dame recht? Darf man sich nicht vorab informieren, wenn jemand seinen vollen Namen bekanntgibt?« Jens D., Köln

Ihre ständige Verwendung lässt manchmal vergessen, was eine Suchmaschine macht: möglichst vollständig zusammentragen, was man in (netz-)öffentlichen Quellen über jemanden oder etwas finden kann. Früher nannte man das »ein Dossier erstellen«, nachforschen oder gar ausforschen, und hat dafür einen Recherchedienst beauftragt.

Man kann es nicht ganz vergleichen, weil der Aufwand bei der Suchmaschine so viel geringer und ihre Verwendung so viel üblicher ist. Das führt dazu, dass man es wesentlich weniger als Eindringen in die Privatsphäre empfindet. Dennoch bleibt es im Grunde das Gleiche.

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Schon zu Zeiten des gedruckten Telefonbuchs hätte man es als seltsam empfunden, wenn jemand, den man erst kürzlich kennengelernt hat, einem sagt, er oder sie habe nachgeschlagen, wo man wohnt. Es ist weniger die Tatsache, dass das Gegenüber über diese Informationen verfügt, als mehr die Intention, die man dahinter spürt oder vermutet. Man fühlt sich an­gefasst. Oder zumindest angestarrt. Was im Verhältnis Mann zu Frau eine zusätzliche Facette bekommt. Andererseits ­haben sich die Zeiten und Einstellungen ge­wandelt, und es wäre merkwürdig, zwar ganz selbstverständlich ständig Nichtigkeiten nachzuschlagen, aber nicht mit dem gleichen Aufwand zu schauen, mit wem man demnächst einen oder mehrere Tage verbringen soll.

So gesehen kann ich Sie beide verstehen. Es ginge an der Realität vorbei zu fordern, man dürfe niemanden googeln. Nur muss man dann abgrenzen nach Intention und Intensität. Es ist ein Unterschied, ob man sehen will, wer das ist, oder nach unbedacht eingestellten Strandfotos sucht. Und der oder dem anderen davon zu berichten macht es schlimmer, weil es dem Vorgang eine größere Wertigkeit verleiht. Sich einfach ein Bild zu machen wäre kaum der Erwähnung wert.

Leseempfehlungen vor allem zum Thema Privatheit:

Wolfgang Schmale, Marie-Theres Tinnefeld, Privatheit im digitalen Zeitalter, Böhlau Verlag, Wien 2014

Samuel D. Warren & Louis D. Brandeis, The Right to Privacy, Harvard Law Review, Heft Nr. 5, Vol IV 1890. Online abrufbar zum Beispiel hier.

Beate Rössler, Der Wert des Privaten, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2001

Raymond Geuss, Privatheit - Eine Genealogie, Suhrkamp Verlag, Frankfurt 2002

Wolfgang Sofsky, Verteidigung des Privaten, Verlag C.H.Beck , München 2007