Dick aufgetragen

Unser Kochkolumnist hat seine Butter bisher nur im Supermarkt gekauft. Aber warum eigentlich? Andere Köche machen sie ja auch selbst. 


Der Schwede Patrik Johansson stellt selbst Butter her und vergräbt sie dann im Wald. Er macht das, um sie reifen zu lassen. Als er damit begann, war er unbekannt, doch schon kurz darauf wurden europäische Spitzenköche auf ihn aufmerksam und ließen sich mit seiner Butter beliefern.

Inzwischen schlagen immer mehr Spitzenköche ihre Butter auch selbst. Einige räuchern sie sogar. Feingeräucherte Butter fiel mir zuerst in einem australischen Restaurant auf, vor allem wunderte ich mich: Wie kann der Kerl Butter räuchern? In den Blechschränken, in denen Köche räuchern, ist der Rauch nie kalt genug für Butter, dachte ich mir, die Butter zerläuft doch dabei. Der Trick ist, die Butter auf einer Schale mit Eiswürfeln in den Räucherkasten zu stellen. Etwa zur gleichen Zeit butterte sich Stephen Harris in der englischen Grafschaft Kent an die Spitze der englischen Gastropub-Szene. Harris schlägt einfach die Crème fraîche seiner Lieblingskühe in der Küchenmaschine, bis Butter daraus wird. Harris’ Methode ist im Haushalt leicht nachzumachen, und wenn die Crème fraîche wirklich gut ist, schmeckt auch die Butter außergewöhnlich.

Seitdem sind mir noch einige butternde Köche begegnet, zuletzt Dan Hunter mit seinem weltberühmten Restaurant »Brae« bei Melbourne, und Felix Schneider, Sternekoch in Heroldsberg bei Nürnberg. Beide servieren ihre Butter mit selbst gebackenem Holzofenbrot. Beide säuern erstklassigen Bio-Rahm, bevor sie ihn zu Sauerrahmbutter schlagen. Aber weil sie eine genaue Vorstellung von den Eigenschaften ihrer persönlichen Butter haben, schmeckt die fertige Butter doch jeweils völlig anders: Hunters Butter ist luftig und frisch, noch an der Grenze zum superfetten Sauerrahm. Schneiders Butter ist fester, sie schmeckt nussig und ein wenig nach luftgetrocknetem Schinken.

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Ich wollte herausfinden, ob es möglich ist, so eine Spitzenkoch-Butter selbst hinzubekommen. Da wurde mir zufällig ein Stück selbst gemachte Butter geschenkt, sie kam aus dem Allgäu, das Stück war an den Rändern ganz leicht durchscheinend und duftete nach sonniger Bergwiese. Ein Wink des Schicksals. Ich bat den Senn, mir zu erklären, worauf es ankommt. Zusammen mit seiner Frau Catharina leitet Klaus Moll-Hochholzer die Alpe Stoffelberg, eine Almhütte, als Demeter-Biobetrieb. Er kümmert sich dort um einen fantastischen Bergkäse und um die Butter. Zuerst erzählte ich ihm, was ich schon über die Methoden der Köche wusste: Alle verwenden Sauerrahm, selbst gesäuert oder fertig gekauft, und alle schlagen ihn in einer gewöhnlichen Küchenmaschine zu Butter. Von da an unterscheiden sich die Rezepte. Für mein Experiment wollte ich etwas Buttermilch in der Butter belassen, so wie Dan Hunter. Ein herzlicher Lachanfall beendete meine Ausführungen: In einer Küchenmaschine könne man nicht ordentlich buttern, sagte Klaus, das gäbe nur Schmiere. Der Rahm müsse stürzen und mit Schwung auf ein Hindernis treffen, nur so könnten sich zarte Butterkügelchen bilden – und das gehe nur in einem richtigen Butterfass. Außerdem beginne die Arbeit an einer herausragenden Butter viel früher: Klaus lässt die frisch gemolkene Milch in breiten Wannen über Nacht reifen, dabei steigt das Milchfett. Morgens schöpft er den Rahm mit so etwas wie einem großen flachen Löffel behutsam ab – Zentrifugen würden nämlich die kleinsten Fettkügelchen in der Milch verändern, aber die seien der Ausgangspunkt für schöne Butterkörner. All die berühmten Käse der Welt seien aus Rohmilch, und eine Weltklasse-Butter müsse eben auch aus rohem Rahm sein.

Gemeinsam entwickeln wir einen Plan für meinen Versuch. Schon die Produktbeschaffung ist nicht einfach, die Saison auf dem Stoffelberg längst beendet. In Deutschland darf Rohmilch vom Bauern nur ab Hof direkt an den Endverbraucher verkauft werden. Zum Glück wohnt mein Freund Christopher fast im Allgäu. Einer seiner Nachbarn gibt uns 24 Liter Rohmilch, der nächste eine kleine Zentrifuge, der dritte ein altes Butterfass mit einem kleinen Motor. Den Rahm müssen wir selbst von der Milch trennen, denn Rohmilch darf Nachbar Nummer eins abgeben, rohen Rahm allerdings nicht. Wir haben aber keine flache Wanne für so viel Milch, also muss die Zentrifuge ran, um den Rahm von der Milch zu trennen. Die Bedienung ist simpel, was bleibt, sind drei Liter Rahm und 21 Liter eher wässrige Magermilch. Im Kaffee schmeckt sie eigenartig, Familie, Freunde und Nachbarn freuen sich aber ein paar Tage später über 21 Kilo wunderbare Dickmilch und Joghurt. Erste Erkenntnis: Jede Woche zu Hause buttern geht nicht, die Ausbeute ist viel zu gering.

Jetzt muss der Rahm sauer werden. Dafür gibt es spezielle Kulturen im Handel, aus sportlichem Ehrgeiz will ich aber auf die natürliche Milchsäuerung vertrauen. Ein bisschen größenwahnsinnig, aber ich habe Glück: Nach zwei Tagen bei Zimmertemperatur wird der Rahm dick und cremig. Er schmeckt immer noch ein wenig süß, aber auch schon sauer – allein für diese Crème fraîche hat sich das Experiment gelohnt. Erst jetzt kommt der gesäuerte Rahm in den Kühlschrank, damit er die ideale Temperatur zum Buttern bekommt. Zwölf Grad sollen es sein.

Eine Hälfte des kalten Rahms schöpfe ich in die Küchenmaschine, die andere Hälfte ins Butterfässchen, aus Neugier, welche Butter besser wird. Als sich nach einer Stunde langsamen Rührens sowohl im Fässchen als auch in der Küchenmaschine rein gar nichts getan hat, wird mir mulmig. Die schöne Milch, die viele Arbeit – was habe ich falsch gemacht? Ich erhöhe die Rühr-Geschwindigkeit – und nach wenigen Minuten trennen sich Butter und Buttermilch doch noch. Vor allem im Butterfässchen bilden sich tatsächlich kleine Butterkugeln. Der Geschmack ist gleich, aber die Konsistenz der Kügelchen aus dem Butterfass ist schöner. Gleichzeitig zart und fest, man könnte fast Butterkaviar dazu sagen.

Insgesamt bleiben knapp ein Kilo Butter und zwei Liter Buttermilch. Klaus würde die Butter jetzt mit kaltem Wasser waschen und dann im Buttermodel formen, der Holzform, mit der man Butter portioniert und den Namen hineinpresst. Ich wasche sie nicht, die Spitzenköche tun das auch nicht – so schmeckt es viel besser, und das Waschen ist auch unnötig, wenn die Butter nicht wochenlang halten muss. Klaus braucht sie länger haltbar, weil er sie ja noch im Kühlregal im Bioladen anbieten will. Aber manchmal nascht auch er die feuchte Butter direkt aus dem Fass – so schmeckt sie einfach am besten, meint Klaus. Das meine ich auch und schmiere große Butterbrote für alle.

Fotos: Christopher Tech