West Hollywood, »Chateau Marmont«. John Malkovich trägt ein helles Baumwollhemd. Er spricht langsam, fast hypnotisch und starrt zwischendurch immer wieder mit nachdenklichem Blick lang in den kalifornischen Himmel. Er bestellt ein Sandwich und Iced Coffee, schwarz, ohne Zucker.
SZ-Magazin: Herr Malkovich, ist das ein eigener Entwurf, den Sie da tragen?
John Malkovich: Ja. Aus der ganz neuen Kollektion! Wollen Sie mal sehen? (Klappt seinen Laptop auf und zeigt begeistert Fotos seiner Herrenkollektion.)
Haben Sie ein Lieblingsstück?
Nein. Ich mag, was ich mag, und das wird immer so bleiben. Ich folge keinen Modetrends. Ich nehme einfach einen Stift und ein Blatt Papier, und dann lege ich los. Mode ist eine Art und Weise, mich selbst auszudrücken, also drücke ich eben mich aus, und nicht die anderen.
Die meisten kennen Sie als Schauspieler, nur wenige wissen, dass Sie nun schon Ihre elfte Modekollektion entworfen haben, unter dem Label Technobohemian. Was ist ein Technobohemian?
Das Techno bezieht sich nicht auf den Musikstil, sondern steht für die Fesseln, die uns die Technik angelegt hat. Bohemian bedeutet für mich vieles, aber vor allem, dass man sich immer wieder aufraffen und von vorn anfangen muss, mit Leuten, die man nie zuvor getroffen hat. Und man weiß nicht, ob dabei etwas Nennenswertes herauskommt, ob es fantastisch wird oder bloß eine gigantische Zeitverschwendung.
Sind Sie so ein Technobohemian?
Na, ich bin auf jeden Fall ein Bohemian. Ich bin drei Viertel des Jahres auf Reisen. Viele Leute würden es hassen, aber für mich ist es ein Lebensstil. In einigen Wochen mache ich einen Film über eine Oper, mit 25 Leuten, die ich noch nicht kenne. So ist mein Leben. Später, nachdem ich die Modekollektion schon benannt hatte, sagte mir ein Freund, dass téchne auf Altgriechisch zweierlei bedeuten kann: die Kunst zu leben und lebendige Kunst. Das passt!
Viele Stars entwerfen Kollektionen und kreieren Parfüms, weil es ein lukratives Geschäft ist. Hand aufs Herz: Sie auch?
Oh nein, ich habe ein Vermögen mit meiner Mode verloren.
Warum machen Sie dann weiter?
Ich genieße es einfach.
Aber was denn, bitte?
Ich arbeite gern mit den Leuten, die Mode herstellen. Der geschäftliche Teil, also, da sind wir nicht so gut aufgestellt. Matt Tyrnauer, der den Dokumentarfilm The Last Emperor über Valentino gedreht hat, sagte über meine erste Kollektion: Sieh an, da bist du jetzt in einer Industrie gelandet, die noch vergifteter ist als das Filmgeschäft.
Und? Hatte er recht?
Ja, ich glaube schon. Es gibt viele komische Vögel in der Mode. Einige sehen sich als gottähnliche Gestalten, als Stil-Polizisten, oder besser: Stil-Diktatoren an, dabei fehlt es diesen Leuten meist selbst an Eleganz.
Gehen Sie manchmal zu den Modeschauen, so wie andere Filmstars?
Da war ich ein oder zwei Mal. Das ist nicht mein Ding. Ich habe den Laufsteg noch nie gemocht. Ich finde die Models, die da laufen, so hölzern, dass es wehtut zuzuschauen. Dieser komische Pferdegang – klack, klack. Ich mache den Mädchen auf dem Laufsteg keinen Vorwurf, es ist nicht ihre Schuld, aber Kleidung sieht an ihnen nicht schön aus.
In Ihrem neuen Film RED 2 hat man Ihrer Filmfigur, dem durchgeknallten Ex-Agenten Marvin, den Satz in den Mund gelegt: »Die einzige Konstante im Leben ist Stil.« Würde John Malkovich das auch sagen?
Ja, ich glaube, das trifft es. Dabei ist Stil für mich, wie man auf Situationen reagiert und mit Leuten spricht. Guter Stil ist für mich, keine schlechten vibes zu verbreiten. Meine Frau und ich waren gestern in einem Restaurant. Das Essen war sehr gut, aber die Musik war zu laut. Die Gäste mussten sich anschreien, um sich zu unterhalten. Das ist stillos.
»Ich habe mich immer schon als eine Inkarnation der Schauspielerin Carmen Miranda betrachtet.«
John Malkovich Schauspieler … aber auch Maler, Produzent, Regisseur und - Modedesigner: Malkovich, 59, hat viele Leben. Er entwirft Mode für Männer: helle Farben, gemusterte Sakkos, bunte Krawatten, sehr dandyesk, immer auch etwas ungebügelt. Als Schauspieler zählt er zu den Lieblingspsychopathen Hollywoods, war zweimal für einen Oscar nominiert. In »RED 2« spielt er neben Helen Mirren and Bruce Willis einen verrückten Ex-Agenten. Seit 1989 ist Malkovich in zweiter Ehe mit Nicoletta Peyran verheiratet. Gemeinsam haben sie zwei Kinder und leben in Südfrankreich und bei Boston.
Was sagen Sie zu dem überdimensionalen Obstkorb, den Sie in der Schlussszene von RED 2 auf dem Kopf balancieren?
Das hat Spaß gemacht! Meine Kollegin Mary-Louise Parker sollte das Ding eigentlich tragen, aber sie hat sich geweigert.
Darum boten Sie sich an?
Ich liebe dieses Kostüm. Ich habe mich immer schon als eine Inkarnation der Schauspielerin Carmen Miranda betrachtet. Das war die mit dem Tuttifrutti- Hut.
Wann begann Ihr Interesse an Modedesign?
Schon als Kind. Ich fand es toll, mir Fotobücher und Gemälde aus verschiedenen Epochen anzuschauen. Später habe ich Kurse für Kostümdesign an der Uni belegt. Ich hatte immer viel mit Mode zu tun, zuerst als Model, dann habe ich drei Kurzfilme für meine Freundin Bella Freud gemacht, die eine herausragende englische Designerin ist.
Können Sie nähen?
Ja, das habe schon als Kind gelernt, und zwar, weil meine Mutter es nicht konnte. Sie konnte ohnehin wenig, außer, die Intellektuelle zu geben. Es ist Jahre her, seit ich zuletzt selbst an der Nähmaschine saß. Aber ich nähe häufig von Hand.
Es heißt, Sie entwerfen Ihre Kollektion wirklich selbst. Andere Stars delegieren das meist an Profis.
Natürlich. Ich zeichne jeden Entwurf, ich suche jeden Stoff aus, bis hin zu jedem Knopf. Sonst gäbe es ja keinen Grund, das zu machen.
Wie weit beeinflussen Sie einflussreiche Modedesigner oder wie weit lassen Sie sich von ihnen beeinflussen?
Es interessiert mich nicht, was andere denken. Jeder macht diese kleinen, eng anliegenden Anzüge. Das überlasse ich anderen, die machen das auch viel billiger als ich. Ich kann vier Kollektionen lang daran herumdoktern, einen Hosenbund zu korrigieren, den ich schon tausend Mal zuvor korrigiert habe.
Warum machen Sie keine Mode für Frauen?
Ich habe einige wenige Teile kreiert, kurze Kleider, ein paar Jacken. Aber wir schaffen es anscheinend nicht, uns so zu organisieren, dass wir eine ganze Kollektion hinkriegen. Und ich habe nicht das Geld, das zu bezahlen. Eine Männerkollektion ist im Vergleich nicht so wahnsinnig teuer.
Ein wichtiges Argument, wenn man weiß, dass Sie fast Ihr gesamtes Vermögen an Bernie Madoff verloren haben, oder?
Genau. Wenn wir Investoren hätten, würde ich mich vielleicht breitschlagen lassen, aber Frauenmode zu machen bedeutet einen unglaublichen Aufwand und verlangt viel mehr Zeit als Männermode. Wenn, dann würde ich gerne eine kleine Kollektion machen, sechs oder acht Teile, nicht mehr. Die Entwürfe habe ich schon in der Schublade.
Als Sie Ihre erste Kollektion entwarfen, benannten Sie die Teile nach berühmten Freunden – ein Beach-Boy-Jackett für Ewan McGregor, ein eleganter Anzug mit japanischer Seide für Schuhdesigner Christian Louboutin, ein Modell »Nervenzusammenbruch« für Javier Bardem. Tragen Ihre Entwürfe immer noch Namen?
Ja, meine Teile tragen alle Namen, aber das heißt nicht immer viel. Die Namen stehen oft für eine bestimmte Stimmung. Ich habe einen Anzug, der heißt »Erster Bezirk«, benannt nach dem Wiener Stadtteil. Das hat mit Wien gar nicht so viel zu tun, außer, dass ich den Anzug dort entworfen habe.
Aber wie kamen Sie bloß auf die Idee, ein Teil aus Ihrer Kollektion nach dem ehemaligen Taliban-Sprecher zu benennen?
Ach, Sie meinen den Mullah Dings, wie heißt er noch mal?
Abdul Salam Zaeef.
Genau. Das war ein Witz. Er war der Pressesprecher der Taliban, ein pathologischer Lügner. Er sagte einige Tage, nachdem der Krieg in Afghanistan losging, alles liefe prima, wenn nur die Regierungsrepräsentanten ihre Turbane nicht so schief trügen. Ich glaube, die amerikanische Marine hat ihn auf eine, sagen wir, mehrjährige ausführliche Kreuzfahrt geschickt. Ich habe dann einen langen Mantel »Mullah ASZ« genannt. Es war einfach eine Silhouette, der ich diesen Namen gab.
Sie sagen oft, Sie seien unpolitisch, aber Ihr nächster Film, den Sie produziert haben, ist ein Film über César Chávez, den Gründer der US-amerikanischen Landarbeitergewerkschaft. Das ist doch hochpolitisch.
Chávez halte ich für einen hochinteressanten Charakter. Aber ich weiß nicht, ob ich das als politisch bezeichne, wenn sich jemand dafür einsetzt, dass andere einen vernünftigen Lohn erhalten und so ihre Familie ernähren können. Ich bin kein Polemiker, ich interessiere mich nicht für Parteien oder politische Prozesse oder die Meinung von irgendwem. Politik sollte in meinen Augen heißen, dass Probleme gelöst werden, nicht dass sich zwei verfeindete Seiten anschreien, die beide keine Ahnung haben. Ich bin zu alt für so was, aber ich war schon mit 19 zu alt dafür.
Foto: getty