L - Lebkuchengewürz

»Die Selbstvergessenheit bei der Arbeit mit den Händen bringt das höllische Rennen der Zeit zum Stehen«, sagt ein französischer Soziologe. Meditierende aller Glaubensrichtungen können es bestätigen: Leichte, rhythmische körperliche Tätigkeiten helfen dem Geist, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Und sobald wir nicht mehr daran denken, was wir sonst noch alles tun könnten – beginnt die Zeit sich zu dehnen. Notfalls funktioniert die Methode zwar auch beim Schneeschaufeln, die Ergebnisse unserer Küchenübungen schmecken aber besser. Wenn Sie also für Ihre Freunde oder Familie Lebkuchenteig kneten, denken Sie vermutlich nach kurzer Zeit an angenehme vorweihnachtliche Erlebnisse. Anregende Düfte der Gewürze treten dabei an die Stelle von Weihrauch oder Duftlampe.

Sobald Sie beginnen, Figuren auszustechen oder fertige Stücke zu verzieren und zu bemalen, dehnt sich diese entspannte Konzentration auf alle aus, die Ihnen dabei helfen. Eine perfekte Gelegenheit, Geschichten zu erzählen – wie das griechische Märchen Der Wohlduftende, in dem eine Königstochter aus lauter Gewürzen und Rosenwasser einen Teig knetet, um sich daraus einen Ehemann zu backen. Ein gutes Lebkuchenrezept, das meiner Großmutter, finden Sie hier weiter unten: Bis ins späte Mittelalter war der Lebkuchen ein Honig-Mehl-Fladen, die Römer nannten ihn Libum, vielleicht wurzelt unser Wort aber auch im germanischen Wort für Laib. Im Laufe der Zeit entwickelten sich Klöster zu Zentren der Lebkuchenbäckerei, da bei der kirchlichen Kerzenproduktion Honig als Nebenprodukt anfiel. Erst mit dem Gewürzhandel über Venedig etablierten sich neue Rezepte – unglaublich scharfe Pfefferkuchen waren ein Zwischenstadium auf dem Weg zu modernen Gewürzmischungen. Noch heute kann man die ehemalige Bedeutung deutscher Handelsstädte an der Zusammensetzung ihres traditionellen Lebkuchengewürzes erkennen: Bamberger Spekälazi schmecken vor allem nach Zimt. Nürnberger Lebkuchen enthalten sieben oder sogar neun exotische Gewürze, sieben für die Tage der Genesis oder neun für die heilige Dreieinigkeit plus Erde, Luft und Wasser plus Erde, Himmel und Hölle. Zimt ist immer dabei. Muskat, Koriander, Nelke, Kardamom und Piment sind die Stammspieler, ergänzt von Fenchel, Anis oder Sternanis und Ingwer und Muskatblüte.

LEBKUCHENEIS

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2 Eigelbe und 1 Ei mit 4 EL Zucker in einer Metallschüssel über einem warmen Wasserbad dickschaumig schlagen, dann in einem kalten Wasserbad kalt rühren. Je 2 EL Zitronat (nach Geschmack), kandierten Ingwer in Sirup und Trocken-aprikosen im Blitzhacker fein hacken. Zusammen mit 2 TL Lebkuchengewürz und 6 cl Amaretto unter die Schaummasse rühren. 500 ml Sahne schlagen und unterziehen. Das Eis in Portionsförmchen einfrieren. Eine reife Mango schälen, die Hälfte des Fruchtfleisches würfeln, den Rest pürieren. Mischen, mit 2 TL Puderzucker und evtl. 3 Blättern gehackter Minze abschmecken und zum Parfait servieren.

FIGURENLEBKUCHEN UND LEBKUCHENHÄUSER

Ein bemalter Lebkuchen ist ein kleines Kunstwerk. Dieses Lebkuchenrezept ist ein rekonstruiertes Rezept einer alten fränkischen Lebzeltnerfamilie – ein bisschen aufwändig, die Lebkuchen werden aber besonders glatt und haltbar: Es existieren heute noch bemalte Lebkuchen aus den 1960er Jahren in hervorragendem Zustand. Ungewöhnlich ist die Fettzugabe im Teig, die meisten alten Lebkuchenteige kommen ohne Butter aus, wie Sie in dem schönen Buch „Seltenes Handwerk in Sachsen – Pfefferküchler“ von Dr. Andreas Martin nachlesen können. Sie können aber natürlich auch andere oder sogar gekaufte Lebkuchen bemalen – schon das Bemalen an sich ist ein gutes vorweihnachtliches Ritual.

Zutaten für ca. 10 Figuren:

250 g Zuckerrübensirup
100 g Butterschmalz
1 Btl. Lebkuchengewürz
250 g Roggenmehl
je 1/2 TL Hirschhornsalz und Pottasche
100 ml Milch
200 g Feinzucker
400 g Weizenmehl

Für die Bemalung:
ca. 500 g Puderzucker
1 Eiweiß
Pinsel der Größe 0

Zuckerrübensirup und 80 g Butterschmalz in einem schweren Topf aufkochen, 5 Min. abkühlen. Die Sirupmischung in einer Küchenmaschine mit 250 g Roggenmehl verkneten. Den Teig abkühlen und entweder gleich, oder nach einer Reifezeit von bis zu einem Jahr weiterverarbeiten – dann werden die Lebkuchen besonders zart und aromatisch. Dafür den Teig luftdicht verpacken und kühl (z.B. im Keller) reifen lassen. Zum Verarbeiten den Teig an einem warmen Platz temperieren – wenn der Teig sehr fest geworden – ist mit einer groben Reibe zerkleinern.

Hirschhornsalz und Pottasche in der Milch auflösen, zusammen mit Zucker und dem restlichen Butterschmalz unter den Vorteig kneten. Weizenmehl nach und nach zum Teig geben. Die gesamte Menge Mehl unterzukneten, so dass ein glatter, fester Teig entsteht, dauert ungefähr eine halbe Stunde. Manche Maschinen sind von dem festen Teig überfordert, so dass Sie zumindest einen Teil des Mehls mit der Hand unterkneten müssen. Den Teig luftdicht verpacken und bei Zimmertemperatur 24 Stunden ruhen lassen.

Backofen auf 175 Grad vorheizen (Umluft 160 Grad). Figuren auf Pappe aufzeichnen und ausschneiden. Den Lebkuchenteig je nach Größe der gewünschten Figuren fünf bis acht mm dick ausrollen (ohne zusätzliches Mehl) und entlang der Pappschablonen ausschneiden oder mit Ausstechformen ausstechen. Die Teigreste können immer wieder zusammengeknetet und neu ausgerollt werden. Auf einem mit Backpapier ausgelegten Blech 15 bis 20 Minuten backen. Falls die Figuren später an den Weihnachtsbaum gehängt werden, direkt nach dem Backen ein Loch für den Aufhängedraht hinein stechen. Abkühlen lassen.

Puderzucker und Eiweiß zu einer dicken Glasur verrühren. Mit einem sehr dünnen Aquarellpinsel kleine Tropfen auf den Lebkuchen setzen oder langsam Linien ziehen – am besten erst mal an einem Reststück üben und die Konsistenz der Glasur optimieren. Je dicker die Glasur ist, desto schöner wird die getrocknete Oberfläche, aber desto schwieriger ist auch der gleichmäßige Farbauftrag auf den Lebkuchen. Wenn die Glasur allerdings zu dick wird, dann platzt sie nach wenigen Jahren wieder ab. Sie können die Glasur mit ein paar Tropfen Eiweiß problemlos wieder verdünnen. Umgekehrt können Sie eine dünne Farbe mit etwas Puderzucker auch eindicken. Für bunte Farben die weiße Glasur mit pulverförmigen Lebensmittelfarben färben. Diese Farben gibt es im Konditoreibedarf oder in manchen Apotheken. Flüssige Lebensmittelfarben sind ungeeignet wegen des hohen Wasseranteils.

Die fertigen Lebkuchen werden nach einigen Wochen weicher - zum Essen ist nach drei bis vier Wochen der richtige Zeitpunkt. Danach werden die Lebkuchen im Laufe der Jahre immer härter und eignen sich vor allem zur Dekoration. Übriggebliebene Lebkuchen schmecken besonders gut, wenn Sie sie über Grießbrei oder Zwetschgenknödel reiben.