Eines kalten Januartages war ich zur Olivenernte bei Franco Roi in den Bergen oberhalb von Badalucco, einem Kaff nahe San Remo. Roi erntet seine Oliven viel später als die Bauern in anderen italienischen Regionen, denn in Ligurien wächst eine eigenwillige Sorte, die Oliva taggiasca, mit sehr kleinen Früchten, ähnlich den kretischen Koroneiki-Oliven. Beide Sorten gelten als besonders gesund, die ligurische schmeckt mild, wenig bitter, dabei sehr fruchtig und aromatisch. Die Bäume wachsen am Hang, ideal für Besonnung und Belüftung, aber mühsam bei der Ernte: Ein Mann pflückt zehn Kilo Oliven pro Stunde, der Ölgehalt beträgt ungefähr zwanzig Prozent, davon kann der Ölmüller vier Fünftel kalt pressen, ergibt 1,6 Liter. Jede Mechanisierung beim Pflücken führt zu Qualitätsverlusten, denn werden die Oliven verletzt, oxidieren sie, werden sie erst vom Boden gesammelt, sind viele davon gammelig – wie Falläpfel. Gute billige Olivenöle aus Ligurien, eigentlich aus Europa, kann es also nicht geben, dafür ist der Arbeitsaufwand sogar im Flachland zu hoch. Selbst wenn die Öle teuer scheinen, ist der Verdienst der Olivenbauern so gering, dass fast alle einen anderen Brotberuf ausüben. Die Gefahr, dass Bäume und Terrassen immer weniger gepflegt werden, ist groß. Wir sollten also bei jedem Tropfen Olivenöl in unserem Salat Roi und seinen Freunden dafür danken, dass sie unser Essen mit ihrer Arbeit subventionieren und gleichzeitig unsere Urlaubsgebiete in Schuss halten.
Nach EU-Norm (manche halten sich daran) gibt es drei relevante Qualitätsstufen. Reines Olivenöl ist eine Mischung aus geschmacksneutralen raffinierten Ölen und mindestens 1 Prozent (!) nativem Olivenöl als Aromastoff. Natives Olivenöl: höchstens 2 Prozent Säure-gehalt, nur sehr kleine Fehler. Natives Olivenöl Extra: Säuregehalt unter 0,8 Prozent, Presstemperatur unter 27 °C, fehlerloser Geschmack. Bei den beiden letztgenannten Ölen sind Hitze, Lösungsmittel, Raffination verboten. Roi kennt noch eine vierte Stufe: Zuerst kommen die Oliven in die Mühle, dann streicht Roi den Olivenbrei auf Pressmatten. Diese legt er in hohen Stapeln übereinander in die Olivenölpresse, wo unter dem Eigengewicht der Oliven, noch bevor die Maschine eingeschaltet wird, zwei Liter Öl aus hundert Kilo Oliven herauslaufen; man nennt es Tropföl. Probieren Sie es am besten in den ersten sechs Monaten nach der Pressung.
PUJÀ – LIGURISCHE ERBSENSUPPE
2 Zwiebeln und 2 Knoblauchzehen würfeln und mit 3–4 EL OlivenÖl 5 Minuten dünsten. 200 g mehlige Kartoffeln schälen und zerkleinern, mit 150 g getrockneten, geschälten Erbsen zu den Zwiebeln geben, mit 1,2 l Wasser aufgießen, zirka 60 Minuten weich kochen. Die Suppe im Mixer oder mit dem Pürierstab fein pürieren und mit Salz und Pfeffer kräftig abschmecken. Erbsensuppe mit Parmesan und gehackter Petersilie bestreuen, mit Tropföl aus Ligurien beträufeln, dazu gibt es Röstbrot.