»Meine Freundin, gleichaltrig und ebenfalls Studentin, schickte mir ihre Hausarbeit zum Korrekturlesen. Sie ist keine Muttersprachlerin, und mir fielen beim Lesen viele grammatikalische Fehler auf, die den Lesefluss unterbrechen. Es käme mir jedoch übergriffig vor, jeden zweiten Satz zu korrigieren oder Formulierungen zu ändern, schließlich lernte sie Deutsch als zweite Sprache. Ich möchte ihre Gefühle nicht verletzen, kann mir aber auch vorstellen, dass ihre Note unter der zum Teil falschen Grammatik leidet.« Linda S., per Mail
Ich kann mir eigentlich gar nicht vorstellen, dass es die Gefühle von jemandem verletzen könnte, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist, wenn man ihn darauf hinweist, dass er in schriftlichen Hausarbeiten hier und da noch sprachliche Fehler macht. Wie schwer Deutsch ist, lässt sich ja schon daran ermessen, dass ich es zum Beispiel nicht hingekriegt habe, den vorigen Satz, so wie es eigentlich heute richtig wäre und wie es auch meine Absicht war, geschlechterübergreifend zu formulieren. Daran bin ich, Muttersprachlerin, Bildungsinländerin, soeben gescheitert. Trotz einigen Nachdenkens.
Aber wie könnte man das formulieren? Jemandem, dessen und deren … wenn man ihn und sie darauf hinweist, dass er und sie ..? Wie klingt das denn? Da bräuchte ich auch mal jemanden, der – oder die – mir erklärt, wie das denn immer so geht mit dem zeitgemäßen, inklusiven Deutsch.
Aber ums Gendern geht es im Falle Ihrer Freundin vermutlich gar nicht, oder nicht nur, sondern um althergebrachte deutsche Grammatik. Es wäre für die Benotung ihrer Arbeiten bestimmt von Vorteil, sie wären sprachlich einwandfrei. Ich würde Ihnen deshalb gerne den Vorschlag machen, Ihrer Freundin einfach mal zu sagen, ganz freundlich, dass Ihnen beim Korrekturlesen kleine sprachliche Fehler auffallen, und sie zu fragen, wie Sie ihr da am besten helfen können. Es ist doch sowieso immer gut, man redet direkt miteinander, und so bezaubernd es ist, wie vorsichtig Sie sind, so unwahrscheinlich erscheint, dass Sie sie damit beleidigen würden. Vorstellbar wäre, dass Sie ihr eine korrigierte Version schicken, in der sie alle Änderungsvorschläge nachvollziehen und jeweils annehmen oder ablehnen kann. Diese Funktion gibt es etwa in Word-Dokumenten. Sollte Ihre Freundin wider Erwarten doch gereizt auf Ihre Hilfsbereitschaft reagieren, lassen Sie es einfach gut sein.