Sollte man bereits gekaufte Plastikstrohhalme noch benutzen?

Unsere Leserin besitzt noch eine alte Tüte voller Plastikhalme. Der Verkauf ist längst verboten, aber was brächte es, die Dinger deswegen wegzuschmeißen? Unsere Kolumnistin plädiert für Eigennutz.

Steckte man viele Plastikhalme zusammen, konnte man früher auch aus großer Entfernung trinken.

Illustration: Serge Bloch

»Plastikstrohhalme sind ja inzwischen verboten, und das finde ich auch richtig so. Nun haben wir noch eine große Tüte schöner, bunter Plastikhalme, die wir schon zwei Umzüge lang mitschleppen. Unser Sohn, 15, möchte sie gerne benutzen – sie sind ja ohnehin produ­ziert –, und wir entsorgen sie sachgerecht. Ich habe ein vages Gefühl von Verschwendung, damit nur eine Limonade zu trinken, und dann geht es in den Müll. Auf der anderen Seite sind sie ja nun mal dafür gemacht. Helfen Sie mir aus dem Dilemma?« Julika S., Neuruppin

Ich kenne jemanden, dessen Identität ich nicht preisgeben kann, die Person wäre – zu Recht – beleidigt, deshalb führe ich nun bewusst in die Irre, indem ich behaupte, mit der Person nicht mehr oder weniger sogar verwandt zu sein. Diese Person ist der herzensbeste Mensch der Welt. Wären alle so, hätte die Welt keine Probleme, würden Tiere, Menschen und Pflanzen in Eintracht leben, und es gäbe die Endzeitstimmung nicht, unter der wir alle so leiden. Diese Person, nennen wir sie E., kam irgendwann auf die Idee, Wasser zu sparen, indem sie als Klospülung das eigene Duschwasser nutzte. Sie nahm einen Eimer mit in die Dusche und sammelte das Wasser, um es weiterzuverwenden. Ein paar Wochen ging das gut, dann begann das Wasser im Eimer faulig zu riechen, bald war der Gestank in der ganzen Wohnung, und E. gab den Versuch auf.

Mich hat diese Geschichte wahnsinnig gerührt. Während überall auf der Welt riesige Konzerne gewissenlos Giftmüll nach Afrika abschieben oder verunreinigte Abwässer ins Meer leiten, versuchen hier und da Einzelpersonen die Welt zu retten. Natürlich wird das so nichts. Natürlich ist der Versuch trotzdem ehrenwert. Als Plastikstrohhalme auch in den USA verboten werden sollten, brachte Donald Trump rote Plastikhalme mit dem Aufdruck »Trump« auf den Markt, zehn Stück zu 15 Dollar. Sie waren sofort ausverkauft. Daran sieht man, dass Ihr Thema kein unbedeutendes ist. Der Plastikstrohhalm markiert eine ideologische Kampflinie.

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Ich würde allerdings Ihrem Sohn recht geben: Die Dinger sind produziert. Für die Erde macht es keinen Unterschied, ob Sie die Halme benutzt oder unbenutzt entsorgen.

(PS: Sollten Sie sich nicht zu einer Entscheidung durchringen können, schicken Sie die Strohhalme gern mir. Insgeheim, aber verraten Sie es niemandem, vermisse ich Halme, die in Nässe nicht aufweichen.)