Sehen wir mal davon ab, dass in diesem Spiel, Fortnite heißt es, keine Hühnerställe, Dörfer und Kuhwiesen gebaut werden. Bei Minecraft war das noch so. Da deuteten meine Söhne auf Schafskoppeln und Fischteiche und ich dachte, cool, Lego für Digital Natives, läuft! Später ging es zwar auch bei Minecraft vor allem darum, andere abzuballern. Doch ich drückte ein Auge zu, im Gedanken an die Schäfchen und Kühe auf der Minecraft-Wiese.
Mittlerweile habe ich die Ego-Shooter-Spielemacher im Verdacht, süße Gimmicks in ihre Killerspiele einzustreuen, um besorgte Eltern zu besänftigen. Bei Fortnite sind es jetzt Emotes. Das sind wahnsinnig geile Tanzfiguren, die man für seine Figuren kaufen kann und die mich als alte Lindy-Hop- und Discodancerin in Entzücken versetzen. Ego-Shooter hatte ich meinen Kindern übrigens untersagt, seit sie zum ersten Mal Candy Crush spielten. Das ginge gerade noch, hatte ich getönt, doch beim Ego-Shooter sei Schluss mit Daddeln! Jetzt spielen sie also Fortnite.
Falls Sie jetzt heimlich bei Wikipedia nachlesen wollen, was das ist, hier die Erklärung: »Fortnite ist ein Koop-Survival-Spiel, das von People Can Fly und Epic Games entwickelt wurde und durch einen kostenlosen, auf dem Battle-Royale-Genre basierenden, Standalone-Modus, Fortnite Battle Royale, seine Popularität erlangte.« Falls Sie das auch nicht verstehen, so wie ich, hier die Erklärung meines Großen: Fortnite ist das angesagteste Spiel der Welt, eine Milliarde Menschen spielen das, es spielt nach dem Weltuntergang, Zombies irren umher und du kämpfst in Gruppen gegen die Anderen. Mein Sohn sagt außerdem, Fortnite sei »kein Ego-Shooter«. Denn: Das bin ja nicht ich, der shootet – sondern meine Figur. Ein feiner Unterschied, zumindest in den Augen eines fast 16-Jährigen. Und außerdem müsse man sich da erst mal aus Holz und Stein Wände und Treppen bauen. Es sind übrigens auch nicht eine Milliarde Menschen, die das spielen, sondern laut Hersteller 100 Millionen. Aber wir wollen es mal nicht so genau nehmen, mit den Avataren, Fakten und Egos.
Sondern den Fokus auf das Schöne richten, und das sind die Tanz-Emotes in Fortnite. Auch keine Ahnung, was Emotes sind? »Ein Emote ist eine erweiternde Darstellung als Ausdruck von Stimmungen (Emotionen), Aussehen und Handlungen sowohl mittelbar als auch unmittelbar eines Charakters in Chats, oft einer Spielfigur in Rollenspielen, und kann auf folgende Arten erfolgen: durch Textform im Chat und/oder im Spielscreen; durch Engine-Emotes bzw. -Taunts, die gesonderte, ansonsten meist funktionslose Animationen sind.« Ich sag’s mal so: Im Sommer am Strand fing mein Kleiner plötzlich an, Tanzfiguren zu vollführen, die mich extrem an Shuffles, Charleston Kicks und John Travolta erinnerten. Ich jauchzte, er grinste und vollzog einen weiteren Swing Out, Hüftschwung, Armloop und – logo, darf nie fehlen – Moonwalk.
Mutter, voll stolz: Wo hast’n die her? Das sind ja Shuffles! Aus dem Swing! Sohn, lässig: »Nee, das sind Emotes! Aus Fortnite! Die heißen Boogie Down, Disco Fever, Squat Kick, Wiggle, Floss und ja, stimmt: Electro Shuffle! Die kann man sich kaufen und damit seine Gegner provozieren. Die Fußballer machen das auch, Griezmann macht immer den Take the L, der geht so...« Und dann hielt mein Sohn die Finger wie ein L vor die Stirn und hampelte mit den Beinen wie ein Clown. Auch auf der Straße habe ich seitdem schon viele Fortnite-Emotes gesehen, die Kinder führen sie auf dem Schulweg ebenso vor wie an der Bushaltestelle oder nachmittags im Park.
Seit wir aus den Ferien zurück sind, verbringen meine Jungs sehr viel Zeit vor ihren Playsis. Ab und zu kommen sie kurz aus ihren Zimmern und shufflen, kicken, flossen und fevern vor mir herum. Das hat mich, fürchte ich, vernebelt. Denn vor meinen inneren Augen kann ich mir nun einbilden, Fortnite sei kein Ego-Shooter. Es bringt die Menschen zum Tanzen! Das mit dem Shooten lässt sich dann ganz gut verdrängen.