Das Merchandising von Donald Trump zum Beispiel. Oder: Bomben, die keine waren. Oder: Münzen des sogenannten Islamischen Staates. Um nur mal ein paar Highlights zu nennen: Das New Yorker Museum, in dem man bei einem einzigen Besuch die meisten Ausstellungen – darunter alle gerade genannten – sehen kann, befindet sich nicht irgendwo an der feinen Fifth Avenue, und es heißt nicht Metropolitan, Guggenheim oder Museum of Modern Art. Man muss stattdessen ganz in den Süden von Manhattan, in eine Gasse, in der ständig Polizeiserien gedreht werden, weil sie so duster und gottverlassen hinter den Lagerhäusern von Tribeca liegt. Man muss die winzige Cortlandt Alley, versteckt hinter dem unteren Broadway, erst einmal finden. Dort, wo in den Fernsehserien typischerweise der Schlägertrupp wartet oder die Leiche liegt, ist ein einladendes Licht. Hell scheint es aus einem Lastenfahrstuhl, dessen Türen an den Wochenenden von 12 bis 18 Uhr offen stehen. Dann sitzt auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Studentin auf einem Stuhl und liest – die Museumsaufsicht. Von der gegenüberliegenden Straßenseite hat sie das gesamte Objekt im Blick. Genau genommen ist sie die Mmuseumms-Aufsicht, denn dem Museum ist in seiner offiziellen Schreibweise vorn und hinten jeweils noch ein zusätzliches M angeklebt, wie um den Hallraum des kleinen Wortes zu vergrößern.
Der Eintritt ist kostenlos. Aber was heißt schon »eintreten« bei vielleicht anderthalb Quadratmetern? Nach einem Schritt ist schon wieder Schluss. Denn das möglicherweise enzyklopädischste Museum New Yorks ist gleichzeitig das kleinste. Aber es enthält in einer Fahrstuhlkabine die ganze Welt, aufgereiht und durchnummeriert auf Regalbrettern an allen drei Wänden.
Die Goldmünzen des Islamischen Staates zum Beispiel. Sehen ganz niedlich aus, eigentlich. Man soll mit seinem Handy die Hotline des Museums anrufen, sagt ein Schild, und dann die Objektnummer eingeben. Eine sonore Erklärstimme erklingt dann und erläutert, dass zu den Dingen, die eine politische Körperschaft ausmachen, eine eigene Währung gehöre. Gleichzeitig erinnert die Stimme daran, dass auch Peep-Shows manchmal spezielle Peep-Show-Münzen hätten, der Club Med seine berühmte Club-Med-Perlen und Youtube seine Clicks. Dass es die IS-Münzen möglicherweise nur hier, in New York, wirklich gibt, anders als all die anderen Ausstellungsstücke, ist eine ironische Volte. Das Museum hat sie anhand der Informationen, die den großspurigen Verlautbarungen des IS zu entnehmen waren, einfach mal gegossen; ob sie in seinem Herrschaftsbereich tatsächlich in Umlauf sind, weiß nur, wer lebensmüde genug ist hinzufahren.
Und daneben: die Cornflakes-Sammlung einer Britin namens Anne Griffith, jede einzelne Flocke mit Herkunftsangabe und Jahreszahl. Bisschen albern? Es ist zumindest nicht zu leugnen, dass die Flakes auf ihren kleinen Podesten aussehen wie Skulpturen von, sagen wir, Hans Arp. Und es sind genauso Produkte von Natur, Zufall und Evolution wie die Schmetterlinge, die man seit dem 19. Jahrhundert ähnlich penibel präsentiert (sagt die Erklärstimme am Telefon).
Und dann all die Dinge, die von Sicherheitsbehörden mal für Bomben gehalten wurden, aber zum Glück keine waren: ein ausgestopftes Spielzeugpferdchen, eine Box mit einem elektrischen Nasenhaartrimmer. In all der Unschuld, die sie im Moment der Kontrolle kurzzeitig verloren. Wir lernen: Es ist der Kontext der Zeiten, die den Dingen ihre Bedeutung verleiht.
Und natürlich die Auswahl der Gegenstände, die in Gefängnissen hergestellt wurden.
Oder der Gegenstände, die für Blinde gemacht wurden, also Objekte, die wir in der Vitrine betrachten, weil sie eine Form haben, die aber ganz für die haptische Erfahrung gestaltet sind. Ein Rubik’scher Zauberwürfel nur mit Braille-Punkten und ansonsten ganz in Weiß verwirrt allerdings die Sinne dermaßen, dass er auch als freies Kunstwerk durchgehen könnte.
Und ist es nicht irre zu sehen, was dieser schreckliche Gaultier-Parfümflakon in Form von männlichen wie weiblichen Oberkörpern für Vorläufer hatte, was für skurrile Nachfahren? Ein Bodybuilder-Contest aus Glasflaschen posiert da vor einem. Der museumspädagogische Dienst am Telefon schlägt furchtlos Brücken über Elsa Schiaparelli und Mae West bis tief in die Antike, und man ahnt, dass wir es im Prinzip mit einem Thema für eine kunsthistorische Dissertation zu tun haben, nur eben kurz zusammengefasst auf einem Regal und ein paar Minuten Telefonerklärung. Wenn man die alle anhören will, ist die Zeit von 12 Uhr mittags bis 18 Uhr abends schon knapp bemessen.
Seit vier Jahren gibt es das Museum jetzt, und da man ein echtes New Yorker Museum daran erkennt, dass es zur Expansion neigt, hat auch das Mmuseumm inzwischen schon eine Erweiterung. Das Mmuseumm 2 liegt nur ein paar Schritte entfernt vom Mmuseumm 1 und ist noch ein bisschen kleiner.
Alex Kalman heißt der Mann, der hinter all dem steckt. Er ist der einzige verbliebene der drei Gründer, 31 Jahre alt. Als Beruf gibt er »Kommunikation« an. Kalmans Mutter ist eine bedeutende Illustratorin unter anderem für die Zeitschrift New Yorker, sein Vater gestaltete das stilbildende Magazin Colors. Alex Kalman selbst sagt, man könne auch seine Ausstellungen durchaus als eine Form von Magazinjournalismus betrachten. »Object Journalism« nennt er es. Die wunderlichen Sammlungen, die er ausstellt, würden ihm von Leuten aus aller Welt nahegebracht, weil sich herumgesprochen hat, dass er in seinem Mmuseumm so etwas ausstellt. Schließlich sagt er noch, dass sich auch beruflich etwas Neues, Großes bei ihm tue, aber darüber könne er noch nicht reden. Man kann nur hoffen, dass es irgendetwas mit einem Anruf aus einem der großen Museen entlang der Fifth Avenue zu tun hat. Ein Wunder wäre das nicht.
Das kleine Mmuseumm, sagt Kalman, bleibe aber auf jeden Fall erhalten. Das Mmuseumm habe ja auch die Aufgabe, verlässlich und kontinuierlich da zu sein, »so wie das Met oder das MoMA«.
Fotos: Mmuseumm, Naho Kubota