Das Beängstigende sei, sagt Tony Cho, »dass einem diese Steine beim Strandspaziergang erst gar nicht auffallen, so natürlich sehen sie aus«. Tagelang lief der Designer und Umweltaktivist aus Seoul Strände ab, um die seltsamen Brocken zu sammeln. Ließ er sie ins Wasser fallen, gingen sie nicht unter – wegen ihres hohen Plastikanteils schwammen sie.
»Plastiglomerate« nennt man diese Gebilde, das kommt von »Plastik« und »Konglomerate«. Der Ozeanograf Charles Moore entdeckte sie erstmals 2006 auf Hawaii: Von Lagerfeuern am Strand geschmolzenes Plastik hatte sich mit Vulkangestein, Korallenstücken und Sand fest verbunden. Diese neuen, teils menschengemachten Gebilde fand man auch im Atlantik auf Madeira und im Mittelmeer an Stränden der Toskana, ein weltweites Phänomen. Neben Plastikgestein finden sich auch richtiggehende Plastikkrusten, die Felsen überziehen. Wo sich Plastikmüll an scharfen Steinen verfängt, lassen Gezeiten, Sonne und Salzwasser Fels und Kunststoff eins werden.
Tony Cho las vor drei Jahren in einem Wissenschaftsmagazin von den »Plastiglomeraten«. Er suchte an koreanischen Stränden, fand auch dort einige Exemplare und nahm Kontakt zu Alex Kalman auf, dem Kurator des New Yorker »Mmuseumm«, das Cho 2019 besucht hatte. Kalman schlug sofort ein, 18 Exponate sind zu sehen – sobald die Zahl der Corona-Erkrankungen in New York wieder Besuche in dem Museum erlaubt. »Die Steine sind gleichermaßen schön in ihrer Erscheinung und hässlich in ihrer Entstehung. Diese düstere Seite, die Wucht der Erkenntnis, was ihre Existenz bedeutet, ist faszinierend«, sagt Alex Kalman.
Für Tony Cho erzählen die Steine noch eine andere Geschichte: Er fand seine »Plastiglomerates« allesamt am selben Strand, Mallipo, vor dessen Küste nach einem Tankerunglück 2007 der größte Ölteppich in der Geschichte Koreas lag. Eine Million Freiwillige säuberten jahrelang den Strand, Südkorea ist stolz auf diesen Kraftakt. Die »langsame Katastrophe«, wie Cho sagt, übersah man: die Massen von Plastik, die sich im Meer verbergen.