In der Serie 30 Rock gibt es eine wahnsinnig lustige Folge, in der ein Polizist versucht, sich unauffällig unter Teenager zu mischen. Er trägt eine Baseballkappe falsch rum, ein Skateboard über der Schulter und ein Band-T-Shirt, auf dem absurderweise nur »Music Band« steht. In dieser lächerlichen Verkleidung geht der Mann – gespielt von Steve Buscemi, 55 Jahre alt, graugesichtig – auf ein paar Jugendliche zu und begrüßt sie betont lässig mit: »How do you do, fellow kids?«. Wie geht’s, Mit-Jugendliche?
Genau so fühlt sich Werbung an, die junge Menschen ansprechen soll. Parteien, Firmen, Gesundheitsämter, Kirchen, Bundeswehr, Polizei, ständig versuchen Institutionen aller Art, Jugendliche irgendwie jugendlich anzusprechen – und landen bei: How do you do, fellow kids?
Manche setzen totaaal locker auf Jugendsprache und enden in hilflosen Wortspielen (»Läuft bei dir – die Lüftung?«). Andere wollen den Erfolg von Superhelden-Filmen irgendwie auf Azubi-Anwerbung übertragen, und dann steht da der »Held«, ein Klempner-Lehrling mit Rohrzange. Oder, Riesenklassiker: »Alkohol – kenn dein Limit!« Ist als Warnung gedacht, klingt aber leider wie die Trinkspiel-Challenge für einen heftigen Freitagabend.
Ach ja, es ist auch eine undankbare Aufgabe. Werbung für Jugendliche erinnert immer an Eltern, die ins Kinderzimmer kommen, um mal über ein ernstes Thema zu reden. Entweder wird es eine völlig verkrampfte Angelegenheit oder eine gespielt lockere Unterhaltung voll unangenehmer Papawitze.
Der Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann, Deutschlands bekanntester Jugendforscher, betreut seit 20 Jahren die Shell-Jugendstudie. Er sagt: »Jede Form von Anbiederung bringt nichts. Die Jugendlichen wissen, da spricht kein Gleichaltriger, sondern eine Instanz. Das erregt nur Misstrauen.« Bei der Warnung vor dem Alkohol ist noch dazu unklar, wer sich überhaupt angesprochen fühlen soll. »Das berühmte Präventionsdilemma«, sagt Hurrelmann: »Man erreicht die, die sich der Thematik ohnehin bewusst sind – aber genau bei denen, die eigentlich gemeint sind, bewirkt man eher das Gegenteil.«
Im Grunde geht es immer darum, die Zielgruppe von irgendwas abzuhalten (Alkohol, Drogen, ungeschütztem Sex) oder zu irgendwas zu animieren (Berufsausbildung, Engagement, Glaube). Das Abhalten lief viele Jahre lang vor allem über Warnungen, nach dem klassischen Muster »Keine Macht den Drogen«. Die haben oft ihr Ziel verfehlt, sagt Hurrelmann, weil eine ausschließlich negative Botschaft vermittelt wurde: Du darfst nicht. Aber kein Mensch, ob 17 oder 77, lässt sich gern von Plakaten was verbieten. »Immerhin, da hat ein Umdenken stattgefunden«, sagt Hurrelmann. »Heute wissen die Entscheider, wenn wir die Menschen erreichen wollen, müssen wir es über positive Formulierungen versuchen, eher affirmativ.« Gelungen findet Hurrelmann zum Beispiel die Aids-Präventionskampagne »Mach’s mit«, weil sie schnörkellos sagt, was ist.
Simon Schnetzer ist ebenfalls Jugendforscher, er berät Firmen und veröffentlicht regelmäßig Untersuchungen (»Studie Junge Deutsche«, »Was ist das für 1 Generation?«). Das Hauptproblem sieht auch er in der mangelnden Glaubwürdigkeit. Zum Beispiel bei der Werbung der Polizei: »Da wird ein Mensch gezeigt, aber der Text kommt erkennbar nicht von ihm selbst. Junge Menschen wollen Authentizität, die ist da nicht gegeben. Und die Botschaft selbst, ja nun: Bewirb dich, dann hast du Freizeit … Das ist natürlich kein bisschen glaubwürdig.«
Schnetzer zeigt aber auch Nachsicht: »Ich habe als Berater oft mit Betrieben zu tun, die sich ehrlich fragen, wie sollen wir denn auf junge Leute zugehen?« Bei staatlichen Institutionen kommt noch hinzu, dass die Entscheidungswege endlos sind. »Die stehen sich oft selbst im Weg, weil sie so viel nicht dürfen, mit all den Verordnungen und Datenrechtsfragen.« Da mag am Anfang eine gute Idee stehen, aber am Ende wird es eben die Kampagne, die in jeder Abteilung zügig durchgewinkt wird. Und irgendwo unterwegs gerät das Ganze hüftsteif und merkwürdig surreal.
Aber schlimmer geht’s immer – wenn die Ironie ins Spiel kommt. Als die Bundesregierung im vergangenen Winter junge Menschen dazu bewegen wollte, wegen der Pandemie zu Hause zu bleiben, ließ sie Werbespots produzieren, die in der Zukunft spielen: Da erzählen alte Leute, sie seien damals, im Jahr 2020, als junge Menschen zu Helden geworden, weil sie rein gar nichts getan hätten, außer zu Hause fernzusehen und Pizza zu essen. Das empfinden Menschen, die gerade nicht rausgehen und Gleichaltrige treffen können, selbstverständlich als blanke Verarsche. Prompt folgte ein riesiger Proteststurm, am Ende bat der Regierungssprecher Steffen Seibert öffentlich um Entschuldigung und klagte, es sei nun mal »schwierig, junge Menschen mit Regierungskommunikation zu erreichen«.
Die Info hätte Andreas Scheuer auch brauchen können. Der Verkehrsminister ließ vor zwei Jahren eine Kampagne starten, um junge Radfahrer zum Helmtragen zu animieren. Da lagen dann kuschelnde Paare im Bett, halb nackt, aber mit Helm. Höhö. In den sozialen Medien hagelte es Spott. Und Scheuer selbst? Ließ sich zu zackiger Musik filmen und rief per Twitter gut gelaunt: »Tragt Helm, und zwar selbstbewusst«. Warum hatte er dabei eigentlich kein Skateboard über der Schulter?