Modell »Durchschnitt«: Dieses Portemonnaie tragen gefühlte neunzig Prozent aller Männer an derselben Stelle – Gesäßtasche, hinten rechts.
Wem die nicht enden wollenden Berichte von Märkten, Geld und Börsen auf die Nerven gehen, dem wird hier jetzt Abwechslung geboten: ein Bericht vom Markt der Geldbörsen. Leider ist dieser Markt, besonders was Geldbörsen für Männer angeht, an Eintönigkeit kaum zu überbieten. Geschätzte neun von zehn Männern verwenden das Standardmodell im aufklappbaren Querformat mit Münztasche und Druckknopf, vier Laschen für Kreditkarten und ein Fach für Scheine. Manche Geldbörsenhändler versuchen, mit Materialexperimenten auf sich aufmerksam zu machen. Dann besteht das Klappding aus Küchensilikon oder Weltraumkunststoff, aus Naturkautschuk, Lastwagenplane, Sicherheitsgurten oder Textilklebeband. Sogar eine Börse aus Edelstahlgewebe lässt sich im Netz finden, sie dürfte sich anfühlen wie ein Topfreiniger.
Erschwerend für eine amüsante Börsenberichterstattung kommt hinzu, dass neun von zehn Männern nicht nur das gleiche Portemonnaie besitzen, sondern es auch an der gleichen Stelle tragen: hinten rechts in der Hosentasche. Wir Männer sitzen praktisch auf unserem Geld. Was sehr ungesund für unsere Rückenwirbel ist. Chiropraktiker sagen, dass eine Geldbörse hinten eine »schiefe Lagerung«auf der linken Seite bewirke, was die Wirbelsäule einseitig belaste. Das vermaledeite Geld, es macht uns krank.
Und es macht die Hosen kaputt: An neun meiner zehn Jeanshosen befindet sich an der rechten Hintertasche ein Loch, genau dort, wo die Ecke meiner Geldbörse gegen das Denim schubbert. Bisher hat noch jede Börse gegen den Stoff gewonnen. Meine Hosen würden länger halten, könnte ich meine Börse vorne tragen. Ich weiß aber aus Erfahrung: Eher gewöhnt man sich Fleisch, Zigaretten und Bier gleichzeitig ab, als die Griffroutine an die Börse zu verändern.
Was wäre die Alternative? Eine Geldklammer? Da wirkt man wie ein Mafiapate. Ein Schlüsseltäschchen mit Reißverschluss? Kleinkariert. Eine Kellnerbörse? Tragen nur Kellner und Frauen. Eine Brieftasche? Passt nicht in die Hosentasche. Ein Brustbeutel? Kommt mit Eintritt der Pubertät aus der Mode. Eine Geldkatze? Ja, geh, bitte.
Im Moment setze ich auf einen Kompromiss, auf ein Kreditkartenetui zum Sammeln der Karten, Scheine und Belege und trage das Kleingeld lose in der Hose. Das signalisiert zwar eine gewisse Lässigkeit im Umgang mit Geld, kann aber auf die Dauer nerven. Ständig fliegen die Centstücke herum, überall bilden sich Münzhäufchen, weil man sie zwar nicht bei sich tragen will, aber manchmal unbedingt braucht. Für den Kaffeeautomaten, für den Einkaufswagen, für den Parkscheinautomaten.
Aus Gründen der Bequemlichkeit verweigere ich inzwischen kategorisch die Annahme von Kupfergeld, auch wenn das teuer wird im Lauf der Zeit. Neulich kaufte ich für 60 Cent eine Breze und bekam auf meinen Euro sage und schreibe acht Fünf-Cent-Münzen raus. Ich ließ sie liegen, Prinzip ist Prinzip.
Zum Glück befindet sich das Münzgeld auf dem Rückzug. Beim Drogeriemarkt DM zum Beispiel runden sie seit Neuestem den Rechnungsbetrag ab, auf Centeinheiten von 5, 10, 15 und so weiter. Die Kassendamen belästigen ihre Kunden nicht mehr mit Einern und Zweiern. Eine wegweisende, die Wirbelsäulen schonende Lösung.
Männer, die einen noch lässigeren Lebensstil an den Tag legen, verzichten komplett auf eine Börse und stecken ihre Karten, Belege, Scheine und Münzen in die verschiedenen Taschen ihrer Hose. Im Frankfurter Bankenviertel sollte man sich so leger aber nicht blicken lassen: »Ein Mensch mit Anstand klimpert nicht herum, weder mit dem Autoschlüssel noch mit dem Kleingeld«, notierte vor einiger Zeit die FAZ und präsentierte eine Börse, die Brieftasche »Uno2«. In deren patentiertes Münzmagazin passen genau 16,80 Euro, das hat die FAZ nachgezählt. »Uno2« ist eine hübsche Geschenkidee für Männer, die ihre Oberhemden nach dem Datum des Erwerbs sortieren. Man muss sich halt entscheiden, ob man Buchhalter sein mag oder Bonvivant.
Wie man es dreht und wendet, das Geld macht immer Probleme. Und Rettung ist nicht in Sicht. Seit Jahren wird die »elektronische Geldbörse« in den Medien gefeiert, aber durchsetzen konnte sich das Zahlen per Mobiltelefon noch nicht. Genauso wenig wie der Bargeldchip auf den EC-Karten.
Wo wir schon dabei sind: Warum haben eigentlich Kreditkarten nach spätestens sechs Monaten Risse? Könnte sich da nicht mal ein Praktikant bei irgendeiner Zentralbank Gedanken machen? Anders gefragt: Wie gedankenlos ist ein Bankensystem, das seinen Kunden Milliarden billiger Bruchkarten andreht? Natürlich gäbe es Kunststoffe, so zäh und stabil, dass sie zwanzig Finanzkrisen überstehen. Bei mir hat noch keine Karte ihr aufgedrucktes Verfallsdatum erreicht. Eine Kassiererin meinte neulich, dass sie Männer blind erkennt – an ihren gebrochenen Kreditkarten.
Unterdessen präsentierte eine britische Firma ihre eigene Version der elektronischen Geldbörse. Sie lässt sich nur vom Daumenabdruck des Eigentümers öffnen; Langfingerabdrücke scheitern. Die Brieftasche besteht aus Kohlefaser, auch mit Gewalt kommen Unbefugte nicht an ihren Inhalt. Außerdem schlägt sie Alarm, sobald sie sich mehr als fünf Meter vom Handy des Besitzers entfernt. Dazu muss sie lediglich am Computer konfiguriert und mit dem Telefon funktechnisch verbunden werden. Falls die Beschreibung dieser Fieselei noch nicht abschreckend genug wirkt, hier noch schnell der Preis: 695 Euro. Wer kein Börsenhai ist, hat nach dem Kauf nichts mehr, was er reintun könnte.
Foto: Jens Mauritz