SZ-Magazin: Herr Cortés, erinnern Sie sich an den Moment, in dem Peter Lindbergh das bekannte Foto von Ihnen gemacht hat? Wie ging es Ihnen damals?
Joaquín Cortés: Das war ein sehr schönes Shooting in Mailand. Ich glaube, das Foto reflektiert ziemlich gut, was für ein Mensch ich vor 13 Jahren war.
Was für einer denn?
Ich war ein Rebell, ein Kämpfer, ein Mann, der die Welt durch den Tanz erobern wollte. Es ging mir gut in jener Zeit, ich habe das gemacht, was ich wollte, war dabei, meine Ziele zu erreichen, meine Träume zu verwirklichen. Und? Ist es Ihnen gelungen?
Ich habe etwas sehr Wichtiges erreicht: Ich habe meine Kultur in die Welt hinausgetragen. Entscheidend dabei war, den Flamenco neu zu interpretieren. Zu wissen, was ich wollte, daran zu glauben und weiterzumachen.
Wann kamen Sie mit dem Flamenco zum ersten Mal in Berührung?
Ich habe ihn wohl schon gefühlt, als ich noch im Bauch meiner Mutter war, weil der Flamenco Teil unserer Kultur ist.
Sie sprechen von der Kultur der Gitanos, der spanischen Roma. Wie hat Sie dieses Erbe beeinflusst?
Das sind meine Wurzeln, meine Gewohnheiten, meine Leute. Wir stehen uns von klein auf sehr nahe. Unsere Großeltern bringen wir nicht ins Altenheim, sondern behalten sie bis zum Schluss bei uns. Wir respektieren die Alten, sie sind diejenigen, die das Sagen haben.
Sie leben mit Ihren Schwestern und Neffen zu siebt in einem großen Haus in Madrid zusammen. Ist das nicht manchmal zu nah?
Ich habe genügend Möglichkeiten, mein eigenes Leben zu führen. Eigentlich sind wir sogar noch viel mehr, ungefähr 200. Ich bin sehr beschäftigt, aber immer, wenn ich kann, fahre ich in den Süden, wo der Großteil meiner Familie lebt.
Die Situation der Roma ist ja nach wie vor nicht einfach. Wie schätzen Sie sie heute ein?
Wir werden als Minderheit betrachtet, aber wir sind keine, wir sind Millionen in Europa. In der Politik tut sich bei dem Thema jedoch nur sehr langsam etwas. Mich würde es freuen, wenn die Entwicklung schneller ginge und vor allem der Respekt uns gegenüber zunehmen würde.
Mit zwölf Jahren haben Sie angefangen zu tanzen. Wollten Sie nicht auch mal einfach nur spielen wie die anderen Kinder?
Natürlich habe ich wie andere Kinder auch Fußball gespielt. Aber ich habe den Tanz in mein Spiel verwandelt. Ich habe mich in den Flamenco verliebt und für mich war, ist und bleibt es eine Liebesgeschichte.
Sie haben den Flamenco verändert, ihn mit anderen Tänzen verschmolzen. Dafür hat man Sie auch kritisiert; wie haben Sie darauf reagiert?
Ich glaube, die Kritik hat mich darin bestärkt, weiterzumachen und zu zeigen, dass ich gut bin. Heute teilt man im spanischen Tanz die Zeit ein in ein Vor-Joaquín-Cortés und Nach-Joaquín-Cortés. Jede spanische Tanzkompanie möchte das machen, was ich mache.
Haben Ihre Reisen und Tourneen Ihren Kleidungsstil verändert?
Nicht sehr. Ich bevorzuge nach wie vor bequeme Kleidung, und wenn es der Anlass verlangt, kleide ich mich möglichst elegant, möglichst minimalistisch. Letztlich lande ich dabei immer wieder bei Klassikern unter den Designern wie Gucci oder Yves Saint Laurent.
Haben Sie ein Lieblings-Kleidungsstück?
Was mich die ganze Zeit über begleitet hat, sind alte, zerschlissene Jeans.
Es heißt, Sie seien schüchtern. Können Sie das bei einem Flamenco-Tänzer erklären, der vor Tausenden Zuschauern auftritt und als Sexsymbol gilt?
Ich bin wirklich schüchtern. Es fällt mir schwer, Gefühle zu zeigen. Aber auf der Bühne drücke ich mich aus, entblöße mich. Der Tanz ist auch eine Art, meiner Angst und meiner Unsicherheit zu begegnen.
Der Spanier Joaquín Cortés, 41, begann mit zwölf Jahren zu tanzen, mit 15 wurde er Solist beim spanischen Nationalballett. 1992 gründete er das Joaquín Cortés Flamenco Ballett.
Foto: Daniel Riera Compte /Jed Root