Auf fast jeder Hochzeit läuft Katzenmusik

Das meistgespielte Lied auf deutschen Hochzeiten stammt aus dem Disney-Film »Der König der Löwen«. Das ist kein Zufall, sondern verrät viel über unser Verständnis von der Liebe.

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Am kommenden Wochenende finden in Deutschland so viele Hochzeiten statt wie an keinem anderen im Jahr. Das hat ein Streamingdienst herausgefunden, bei dem man sich mal die Mühe gemacht hat, auszurechnen, wann genau die mehr als sechs Millionen (!) privat erstellten Hochzeits-Playlists am häufigsten gespielt werden. Drittes Juli-Wochenende also, die Ferien sind nah, die Fußball-Übertragungen vorbei, der Sommer noch lang genug für ein paar Flitterwochen. Das Datum leuchtet ein. Überraschender ist der Song, der auf diesen Hochzeiten am häufigsten gespielt wird.

Es handelt sich um einen Filmsong. Aber er stammt nicht aus Titanic, Tatsächlich Liebe oder Vom Winde verweht, also aus keinem der unsterblichen Liebesfilme – sondern aus König der Löwen. Ja, richtig: Die Deutschen untermalen den wichtigsten Tag ihres Lebens statistisch gesehen am liebsten mit dem Soundtrack eines Disney-Films.

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Zugegeben, nicht irgendeinem. Der Film aus dem Jahr 1994 ist bis heute der erfolgreichste Zeichentrickfilm aller Zeiten. Und einer der rührendsten. Wer König der Löwen als Kind gesehen hat, ist heute um die 30, also im besten Heiratsalter – die Beliebtheit von »Can you feel the love tonight« auf Hochzeiten im Jahr 2016 ist also schon demografisch zu erklären. Der Film hat schlichtweg die Bilder von Romantik ins Unterbewusstsein einer ganzen Generation gemeißelt.

Aber natürlich steckt noch mehr dahinter, schließlich liefen seit 1994 locker ein Dutzend anderer supererfolgreicher und superrührender Liebesfilme im Kino, deren Titelsongs die Brautpaare der Gegenwart nicht für den Moment ihrer Trauung ausgewählt haben. Warum also die Elton-John-Schnulze aus dem doch auch schon ziemlich angestaubten Zeichentrickfilm?

Kurzer Blick in die Filmszene, in der das Lied auftaucht: Simba, der junge, gerade erwachsen gewordene König der Tiere, tänzelt mit Nala an einem Wasserfall entlang, die beiden trinken aus einer Quelle, verliebtes Lächeln, vielsagende Blicke, es folgt eine neckische Wasserschlacht, die beiden tollen durch die Savanne, rollen sich durchs hohe Gras. Die dreieinhalb Filmminuten mit »Can you feel the love tonight« sind eine Allegorie auf die Ehe: Junge, elegante Lebewesen auf dem Höhepunkt ihrer Schönheit bewegen sich spielerisch und doch verbindlich in einer Welt, die scheinbar nur ihnen gehört. Selten sind ganz große Gefühle so kondensiert und gleichzeitig für jedes Kind verständlich auf den Punkt gebracht worden. Dabei transportiert die Sequenz, wenn man sie mit Erwachsenenaugen sieht, eine fast atemberaubende Sexiness. Wie viel mehr kann ein Film erreichen?

Aber nicht nur die strotzende Sinnlichkeit passt gut in den Kosmos Hochzeit, sondern auch Timon und Pumbaa, die alten Kumpels von Simba, die sympathisch im Hintergrund jammern, weil sie ahnen, dass sie ihren Freund nun an eine höhere Sache verloren haben: die Liebe. So ist »Can you feel the love tonight« nicht nur ein musikgewordenes Idealbild von den Anfangsjahren einer Paarbeziehung – nein, sogar die Trauzeugen und der Junggesellenabschied, jene Tradition, die heute vor keiner Hochzeit mehr fehlen darf, finden ihren Platz in dem Song. Mehr kann man von dreieinhalb Minuten Musik wirklich nicht erwarten.

Erinnert an: Hach, die gute alte Kindheit.
Wer kauft das? Junge Erwachsene, die keine unklaren Botschaften mögen. Wir zwei, Simba und Nala... alles klar?
Was dem Song gut tun würde: Pfff, als ob dieser Song das nötig hätte.