Nachgehakt

Viele bewegende Geschichten konnten Sie in diesem Jahr im SZ-Magazin lesen. Doch was hat sich in der Zwischenzeit im Leben der Protagonisten getan? Wir haben nachgefragt.

Hilal hat es nicht geschafft. Das schöne dunkelhaarige Mädchen von der Winthir-Hauptschule muss die Klasse und die Prüfungen zum Qualifizierenden Hauptschulabschluss im nächsten Sommer wiederholen. Alle anderen Schüler der 9 c haben den Quali erreicht. Auch Mamadou: Sein Notenschnitt war sogar so gut, dass er seit September eine Realschule besuchen darf. Er muss dort eine Probezeit bestehen. In Physik und Mathematik steht er derzeit auf einer Fünf, bis Mitte Februar muss er eine davon wegbekommen. Mamadou kämpft. Er hat sogar aufgehört, im Verein Fußball oder Basketball zu spielen. Auf der Straße spielt er noch gelegentlich. Mit seinem Freund Tunahan. Der macht inzwischen eine Lehre als Einzelhandelskaufmann bei Tengelmann, obwohl er auch weiter auf die Realschule hätte gehen dürfen. Die Ausbildung erschien ihm der sichere Weg. Von ihren anderen Mitschülern wissen die beiden wenig.

Schebnem arbeitet bei Douglas, Michal, der keine Lehrstelle fand, besucht eine berufsvorbereitende Schule, Daniela arbeitet in einer Anwaltskanzlei. Sogar Museyib hat eine Lehrstelle bekommen. Für den Jungen aus Aserbaidschan sah es lange nicht gut aus. Mamadou und Tunahan trafen Museyib zufällig auf der Straße.
16 neue Paten haben sich nach der Geschichte über die Winthir-Schule gemeldet. „Alle bedürftigen Kinder sind versorgt“, erzählt Monika Schulte-Rentrop, die Lehrerin, die an der Hauptschule im Münchner Westen die ehrenamtlichen Patenschaften organisiert. Einen ordentlichen gemeinnützigen Verein mit Satzung hat sie auch gegründet. Debo ist weg. Nach Kairo. Ein Jahr Pause hat sich Deborah Helmbold, die Sozialpädagogin an der Winthir-Schule, genommen. „Die Batterien waren leer“, erklärt ihre Freundin, die frühere Lehrerin der 9 c, Patricia Obermeier. Jahrein, jahraus immer wieder mit neuen Schülern um deren Zukunft fürchten. Sie im Zweifel auch ermahnen, tadeln, kontrollieren. Vorstellungsgespräche üben, Berufswünsche überprüfen, Elterngespräche führen, immer wieder bangen, ob nun alle Schüler eines Jahrgangs versorgt werden, mit Lehrstellen, mit Plätzen auf einer weiterführenden Schule oder einem Berufsvorbereitungsjahr bei der Agentur für Arbeit, für alle Übriggebliebenen, die sonst niemand haben will. „Nach Kairo zu gehen ist eine gute Entscheidung“, sagt Obermaier, „so eine interkulturelle Erfahrung hilft jedem bei der Arbeit an einer deutschen Hauptschule.“ Obermeier hat dieses Schuljahr eine sogenannte Deutschlerngruppe übernommen. Mit sieben Schülern aus sieben Nationen: Irak, Iran, Indien, Mongolei, Honduras, Afghanistan, Eritrea.

Mamadou hat Debo und Frau Obermeier bis zuletzt in seiner alten Hauptschule besucht. Debo war für ihn so etwas wie eine große Schwester, die ihm ab und dann erzählte, wo es langgeht im Leben. Er vermisst sie.