Warum der Urlaub mit Roaming-Gebühren besser war 

Früher war das Internet auf Reisen unbezahlbar teuer, heute surft man in Europa ohne Aufpreis oder Geoblocking. Das ist praktisch – aber es geht ein Stück Urlaubskultur verloren.

Auch eine Art von Surfurlaub: Ohne Roaming-Gebühren droht die Handysucht jetzt auch am Strand in Portugal.

Foto: istockphoto.com/polke

Die Sommerferien meiner Kindheit bestanden aus langen Autofahrten. Einmal quer durch Deutschland, bevor wir Österreich und Slowenien passierten, um schließlich Kroatien zu erreichen. Oder wir sind über die Niederlande nach Frankreich, um dann weiter nach Spanien zu fahren. Wie sich die Länder jenseits meiner Fensterscheibe veränderten, konnte ich stets am Radio erkennen: Erst plapperte der niederländische Moderator, dann folgten Verkehrsansagen auf französisch und irgendwann ertönte spanische Musik. 

Heute könnte ich von der eigenen Haustür bis zum Strand ununterbrochen meine Spotify-Playlists anhören. Die Roaming-Gebühren wurden im Sommer 2017 in allen EU-Staaten abgeschafft, auch Streaming-Dienste wie Netflix sind europaweit verfügbar, seit das so genannte Geoblocking im vergangenen Jahr aufgehoben wurde. Das verändert unser Urlaubsverhalten: Man schaut die Netflix-Serie von daheim im Ferienhaus weiter, postet die Bilder von der eben entdeckten Bucht direkt auf Instagram oder scrollt sich durch seine Social-Media-Timelines.

Ist das überhaupt noch Urlaub – oder nehmen wir zu viel Heimat mit, um noch von Fremde sprechen zu können? Der Tourismus- und Zukunftsforscher Ulrich Reinhardt warnt, dass der Urlaub immer häufiger eine Fortsetzung des Alltags sei statt eine Unterbrechung. Und jetzt kann auch noch die Handysucht mit auf Reisen

Meistgelesen diese Woche:

Mit einer permanenten Internetverbindung müssen wir nicht mehr nach Restaurants, Stränden, Clubs fragen. Da schauen wir lieber auf Google oder Instagram

Eine Kollegin war neulich alleine in Kopenhagen. Statt abends die fremde Stadt zu erleben, hörte sie vor allem deutsche Podcasts auf ihrem Hotelzimmer. Endlich habe sie mal Zeit dafür gehabt, sagte sie. Neugierig auf die Welt da draußen war sie nicht, drinnen gab es ja eine ganze Playlist voller Unterhaltung. 

Natürlich hat man auch früher die deutsche Zeitung, Zeitschriften, Kassetten, CDs oder Bücher mit in die Ferien mitgenommen. Doch es gab einen Unterscheid: der Vorrat war endlich. Das Hotel-WLAN hatte zumindest eine begrenzte Reichweite. Irgendwann war der Urlaubsroman gelesen, man hatte sich an der eigenen Playlist sattgehört und das Datenvolumen aufgebraucht. Und wenn man nichts zu tun hatte, suchte man eben vor Ort nach Unterhaltung.

Das konnte sogar lustig sein: In Auckland war ich gezwungen, mir neuseeländische Soaps im TV anzugucken. Sonst hätte ich wahrscheinlich nie diese tolle kitschige Krankenhausserie entdeckt (irgendwas zwischen »Grey's Anatomy« und »Der Bergdoktor«). In Lissabon war ich mal mit Freundinnen in einer Bar, dort bekamen wir einen kleinen Club empfohlen, in dem der DJ nur portugiesische Musik spielte. Keine von uns kannte die Songs – und doch tanzten wir die ganze Nacht dazu.

Mit einer permanenten Internetverbindung müssen wir nicht mehr nach Restaurants, Stränden, Clubs fragen. Da schauen wir lieber auf Google oder Instagram. So müssen wir nicht unser holpriges Schulfranzösisch auspacken, obwohl das vielleicht sogar Spaß machen könnte. Das Bedürfnis nach Gesprächen und Austausch ist bereits erfüllt, weil wir immer und überall mit Familienmitgliedern oder Freunden im Chat sein können. Unsere Social-Media-Blase folgt uns auch in andalusischen Bergdörfern oder zu sizilianischen Stränden. Auf der Wanderung auf Korsika hatte ich nicht mal in der hunderte Meter tiefen Schlucht meine Ruhe vor Whatsapp. Es ist überflüssig geworden, die Fotos nach der Reise irgendjemandem zu zeigen – jeder hat schließlich alles schon gesehen. Und zwar live, direkt im Moment, in Instagram-Stories.

Roaming-Gebühren und Geoblocking waren immer nervig, aber jetzt merkt man: Sie hatten auch etwas Gutes. Ich vermisse im Urlaub immer öfter das Landestypische; die kulturellen Unterschiede. Ich werde nie wieder soleche Ferien machen können wie früher in Kroatien, als Kind.

Klar, könnte man jetzt einfach an die Selbstdisziplin appellieren, Digital Detox in Erwägung ziehen und das Smartphone beiseite legen. Aber wir wissen selbst, wie schlecht das funktioniert. Zuhause hat man kaum eine Wahl und den Kampf gegen die ständige Erreichbarkeit sowieso längst aufgegeben, aber es gab ja den Urlaub zum Abschalten. Und jetzt? Gibt es noch eine letzte Chance: das Reisen in Länder außerhalb von Europa, mit absurd teurem Datenvolumen.