Das Beste aus aller Welt

Mitten in der Krise ein Glücksmoment für Axel Hacke: Sein Lieblingsduft, jahrelang vom Markt verschwunden, ist wieder da!

Erstaunliche Geschichte: dass ich mitten im großen Weltfinanzdesaster, am Rande einer persönlichen Krise, mit Selbstzweifeln ringend – dass ich also in dieser Zeit ein Aftershave-Fläschchen geschenkt bekomme, das mir bekannt vorkommt. Dunkler Glaskubus, bestehend aus zwei aufeinandergestapelten Würfeln, verschlossen mit schwarzem Zylinder. Der Flakon enthält einen Duft, den ich in meinen besten Jahren auf dem Gesicht verteilte, auch und gerade an jenen Tagen, an denen ich meine Frau kennenlernte, meine Kinder zeugte und an denen ich schrieb, schrieb, schrieb.

Die Produktion dieses Aftershaves war 1999 eingestellt worden, ohne dass man mir Mitteilung gemacht hatte. Es war von einem Tag auf den anderen nicht mehr erhältlich. Wochenlang war ich durch die Stadt gelaufen, auf der Suche nach unverkauften Restbeständen in entlegenste Drogerien vordringend, ergebnislos. Man hatte mir meinen Geruch genommen. Mein Zauberwasser. Nun, ohne jede Vorwarnung: ist es wieder da. Ich lese: »Holzig-grüne Kopfnote sorgt für einen furiosen Auftakt… kräftiger und dennoch frischer Duft von Muskatellersalbei… Der aromatische erste Eindruck bereitet den Weg für Weihrauch… florale Noten… Die Basis wird von einem üppigen schwarzen Lederakkord bestimmt…« Ja, so roch ich, so roch ich. Ein Zeichen des Himmels? Wink unbekannter Mächte? Werde ich der Mann von früher sein, in alter muskatellersalbeihafter Frische, weihrauchumwölkt der Welt mich stellend? Floral-holzig, üppig-furios wie in den alten Zeiten?

Bruno, mein alter Freund, sagt, wir würden in zwei Jahren eine fürchterliche Inflation bekommen, es könne nicht anders sein, der Staat werfe das Geld zum Fenster hinaus, besser: werfe es den Banken zum Fenster hinein. Verschulde sich in operettenhafter Weise. Also werde er Geld drucken müssen, der Staat, und wir, seine Bürger, müssten in Sachwerte flüchten. Retten, was zu retten sei.

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Ich studiere die Immobilieninserate. Oh, wie lange habe ich keine Immobilieninserate studiert! Was für eine versunkene Welt hat sich erhalten! Immer noch ist Schwabing hier »das Künstlerviertel«, immer noch sind die Innenstadtlagen »begehrt«, immer noch ist die Isarvorstadt »zentrumsnah«. Alles ist wie in jenen Jahren, als von meinem frisch rasierten Hals üppig-schwarze Lederakkorde ausgingen.

Und es gibt nichts Negatives. Kannst du dich in einer Wohnung nicht umdrehen, ist sie »schnuckelig«. Ist das Bad mit hellblauen Fliesen bedeckt, wird es »individuell« genannt. Kommst du über ausgelatschte Stufen in das Apartment, ist das Treppenhaus »historisch«. Wird ein Innenhof erwähnt, ist er »ruhig«, kann man die Türen zwischen Zimmern nicht schließen, sind sie »großzügig«, gibt es nur eine Etagenheizung, ist das »nostalgisch«. Gut zu wissen, dass manche Dinge sich nicht ändern. Das hat, wie Makler sagen würden, Flair. Oder Ambiente?

In der Finanzwelt diskutieren sie über die Gründung einer Bad Bank, das ist englisch, heißt »schlechte Bank« und wäre ein Institut, über das miserable Kredite abgewickelt würden. Alle anderen Banken könnten wieder tun, was sie so gern taten: Geld verdienen.
Man könnte Bad Bank aber auch deutsch aussprechen, dann wäre es noch gründenswerter: ein Kurort wie Bad Endorf oder Bad Schwartau, ein Platz, an dem verarmte Bundesbürger morgens nach dem Aufwachen ein warmer Geldsack unter den Kopf geschoben würde, wie man in Wörishofen heißes Heu ins Genick bekommt. Wo man den Duft von Jackpötten inhalieren kann und wie ein Seehund ins Geld hineinspringt, wie ein Maulwurf darin herumwühlt, es in die Luft wirft, damit es einem auf die Glatze prasselt.

Leser S. schreibt, in seiner Bankfiliale stehe ein Gerät, das mit dem Wort »Scheineinzahler« beschriftet sei. Großartig! Hier haben mittellose Krisenopfer die Möglichkeit, vor sich und anderen so zu tun, als hätten sie noch etwas, was sie einzahlen könnten, unter den wohlwollenden Blicken einer Überwachungskamera.

Illustration: Dirk Schmidt